Wer zahlt, wenn der Unfallverursacher nicht versichert ist?
Wo es wirtschaftlich schlecht läuft, sparen Autofahrer am Nötigsten. Viele Griechen etwa haben sich von ihren Fahrzeugen getrennt. Einige verzichten allerdings nicht auf ihr Auto, sondern nur auf die Kfz-Haftpflichtversicherung. Urlauber bleiben nach einem Unfall mit einem solchen Fahrzeug trotzdem nicht auf den Kosten sitzen, erklärt Sandra Schwarz, Geschäftsführerin der Verkehrsopferhilfe, im GDV.DE-Interview.
Frau Schwarz, mehrere hunderttausend griechische Autofahrer sind offenbar ohne Versicherungsschutz unterwegs. Ist das ein rein griechisches Problem?
Sandra Schwarz: Nein. Unversichertes Fahren ist ein europaweites Phänomen, wobei die Zahlen in den einzelnen Mitgliedsstaaten deutlich schwanken.
Wie ist die Situation in Deutschland?
Schwarz: In Deutschland sind nicht versicherte Autos extrem selten. Nur wer die Deckungszusage eines Versicherers hat, erhält auch eine Zulassung für sein Auto. Wird die Versicherung gekündigt, schickt diese wiederum eine Meldung an die Zulassungsstelle. Aus diesem Netz herauszukommen, ist nicht so einfach. Trotzdem: Auch hier gibt es einige „schwarze Schafe“, die ohne Versicherungsschutz fahren.
Zur Urlaubszeit sind viele Deutsche mit ihrem Auto im Ausland unterwegs. Sind diese ohne Schutz, wenn ihnen ein unversicherter Autofahrer einen Schaden zufügt?
Schwarz: Nein, in einem solchen Fall können sich deutsche Autofahrer an die sogenannte Entschädigungsstelle wenden. In Deutschland übernimmt die Verkehrsopferhilfe diese Funktion. Und, damit keine Missverständnisse aufkommen: Unseren Schutz genießen nicht nur Autofahrer – auch wer als Fußgänger oder Radfahrer im Ausland von einem nicht versicherten Auto angefahren wird, ist bei der Verkehrsopferhilfe richtig. Wir betrauen einen Regulierungshelfer damit, das Unfallopfer zu entschädigen. Nach der Schadenregulierung holen wir uns das gezahlte Geld dann wiederum vom Garantiefonds des Landes zurück, aus dem der unversicherte Unfallverursacher kommt.
Gibt es eine solche Entschädigungsstelle in jedem Land?
Schwarz: Ja, in jedem Land des europäischen Wirtschaftsraums, also der EU plus Norwegen, Island und Liechtenstein. Für Deutschland übernimmt seit 2003 die Verkehrsopferhilfe die Funktion der Entschädigungsstelle.
Welches Recht gilt für die Entschädigung?
Schwarz: Es gilt das Recht des Landes, in dem der Unfall geschehen ist – sowohl bei der Regulierung als auch beim Nachweis des Unfallgeschehens. Wir raten Autofahrern daher bei Reisen ins Ausland, immer den europäischen Unfallbericht dabei zu haben. Bei einem Unfall sollte man unbedingt darauf bestehen, dass beide Parteien diesen ausfüllen und unterschreiben. Durch die Schadenregulierung über eine Grenze hinweg, dauert eine Entschädigung leider oft länger, als wenn der gleiche Unfall in Deutschland passiert wäre. Die Verkehrsopferhilfe sorgt aber dafür, dass das Unfallopfer am Ende nicht schlechter dasteht als jemand, der an einen versicherten Unfallverursacher geraten ist.
Wie viele Deutsche haben im vergangenen Jahr nach einem Unfall mit einem unversicherten Auto im EU-Ausland Ansprüche geltend gemacht?
Schwarz:Uns wurden im vergangenen Jahr 357 Unfälle deutscher Autofahrer gemeldet, die durch Halter von unversicherten Fahrzeugen im Ausland verursacht wurden. Dem gegenüber stehen übrigens 222 Fälle von vermeintlich unversicherten deutschen Fahrzeugen, die im Ausland Unfälle verursacht haben. Oft klärt sich aber bei genauerer Betrachtung, dass doch Versicherungsschutz vorhanden ist, und damit der Schaden nicht über die Verkehrsopferhilfe reguliert werden muss.
In welchem EU-Land hatten Deutsche die meisten Unfälle mit unversicherten Autos?
Schwarz:Angeführt wird die Liste traditionell von unserem direkten Nachbarn Frankreich. 2014 haben wir 323 Unfälle in Frankreich registriert, gefolgt von 121 in Italien und 91 in Polen. Aus Griechenland wurden uns hingegen nur elf Unfälle gemeldet. Die Zahlen bilden die komplette Zuständigkeit der Entschädigungsstelle ab, enthalten also beispielsweise auch Fälle, in denen der ausländische Versicherer innerhalb von drei Monaten nicht auf einen Ersatzantrag reagiert hat.