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Dossier: Versicherungsbetrug (© Taichi Nakamura / Unsplash)

Dossier: Versicherungsbetrug

Versicherungsbetrüger schaden nicht nur den Unternehmen, sondern auch dem Versichertenkollektiv. Wie groß der Schaden ist, welche Konsequenzen drohen und wie Versicherer ihre Betrugsabwehr modernisiert haben: Der Überblick.

29.04.2024

Wie verbreitet ist Versicherungsbetrug? Link kopieren

Rund zehn Prozent der Schäden, die Versicherungen gemeldet wurden, sind verdächtig und prüfwürdig. Das zeigt eine Sonderauswertung von über 600.000 Schadenmeldungen aus drei Jahren vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Untersucht wurden knapp 200.000 Einbrüche bis zu einer Schadenhöhe von 50.000 Euro, die den Hausratversicherern gemeldet wurden.

Hinzu kommen über 400.000 Schäden an Kraftfahrzeugen, die der Privathaftpflicht- und privaten Tierhalterhaftpflichtversicherung gemeldet wurden, wenn beispielsweise ein Hund oder jemand mit einem Fahrrad ein fremdes Kraftfahrzeug beschädigt hat. Die Auswertung zeigt, dass es etwa bei jedem zehnten Schaden in der Schaden- und Unfallversicherung Auffälligkeiten oder Ungereimtheiten gibt. Ist ein Fall dubios, bedeutet das jedoch nicht automatisch, dass es sich um Versicherungsbetrug handelt, sondern, dass der Schaden Merkmale aufweist, die statistisch gesehen eher selten sind.

Versicherungsbetrug bedeutet für die meisten Täter:

  • minimaler Einsatz
  • möglichst geringes Risiko
  • bei maximalem Gewinn.

Wie hoch ist der Schaden durch Versicherungsbetrug insgesamt? Link kopieren

Insgesamt schätzen die Versicherer den jährlichen Schaden durch Versicherungsbetrug in der Schaden- und Unfallversicherung auf über 6 Milliarden Euro.

Welche Versicherungen sind besonders von Betrug betroffen? Link kopieren

Versicherungsbetrüger starten ihre Versuche bevorzugt in folgenden Sparten, um unrechtmäßig Versicherungsleistungen zu kassieren:

  • Kfz-Versicherung
  • Private Haftpflichtversicherung
  • Hausratversicherung

Häufige Methoden beim Versicherungsbetrug Link kopieren

  • Der fingierte Schaden

    Es ist ein realer Schaden eingetreten, der nicht versichert ist. Der Schadenhergang wird so gemeldet bzw. konstruiert, dass ein versichertes Schadenereignis angenommen werden muss.

    Beispiel: Beschädigtes Smartphone

    Geschädigter hat sein Smartphone selbst beschädigt. Für die Schadenmeldung wird eine weitere Person vorgeschoben, die nicht verantwortlich für den Schaden war, aber dessen private Haftpflichtversicherung soll den Schaden bezahlen.

  • Der fiktive Schaden

    Der fiktive Schaden wird von Fachleuten auch als „Papierschaden“ bezeichnet. Die angegebenen Schäden werden nur vorgetäuscht. Sie hat es in Wirklichkeit nie gegeben.

    Beispiel: Fahrraddiebstahl

    Betrüger behauptet, ihm sei sein Fahrrad gestohlen worden. Tatsächlich hat er nie ein Fahrrad besessen, die eingereichte Rechnung ist eine Fälschung.

  • Der provozierte Schaden

    Der Schaden wird von dem oder den Geschädigten vorsätzlich herbeigeführt. Der Versicherungsnehmer hat darüber keine Kenntnis und ist in diesem Fall das Opfer.

    Beispiel: Kfz-Unfall

    Betrüger tritt als vermeintlicher Geschädigter auf (“Autobumser“). Er provoziert einen Verkehrsunfall und nutzt dazu die Unachtsamkeit eines arglosen Verkehrsteilnehmers bewusst aus. Dessen Kfz-Haftpflichtversicherung soll den Schaden bezahlen.

  • Der ausgenutzte Schaden

    Ein realer Schaden wird ausgenutzt, um die tatsächlich entstandene Schadenhöhe vorsätzlich zu erhöhen.

    Beispiel: Einbruchdiebstahl

    Nach einem tatsächlich stattgefundenen Einbruch werden z. B. Gegenstände angegeben, die nicht Eigentum des Geschädigten sind oder einfach erfunden wurden.

  • Verlagerte Schadenfälle

    Bei einem realen Schadenereignis werden andere Personen oder ein anderer Schadentag angegeben, um für dieses Schadenereignis Versicherungsschutz zu erhalten.

  • Betrügerische Vertragsgestaltung

    Bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrages täuscht der Versicherungsnehmer den Versicherer hinsichtlich bestimmter, für den Abschluss des Vertrages oder die Höhe der Prämie ausschlaggebender Tatsachen.

 

Rechtliche Konsequenzen: Strafen bei Versicherungsbetrug Link kopieren

Versicherungsbetrug hat zivilrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen.

  • Zivilrechtliche Sanktionen

    Kündigung des Vertrages

    Der Versicherer kann aus wichtigem Grund gemäß § 314 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) den Versicherungsvertrag kündigen. In schweren Fällen ist sogar eine Kündigung der gesamten Geschäftsverbindung möglich.

    Rückforderung erbrachter Leistungen und Vorschüsse

    Kann die Versicherung einen Betrug nachweisen, können die bis dahin erbrachten Leistungen und Vorschüsse nach § 823 II BGB in Verbindung mit § 263 StGB (siehe strafrechtliche Konsequenzen) oder § 812 BGB sogar gesamtschuldnerisch vom Kunden bzw. dem Anspruchsteller zurückgefordert werden.

    Regress von Mehrkosten für Sachbearbeiter und Ermittlungskosten

    Im Betrugsfall hat der Versicherer die Möglichkeit, die ihm entstandenen Kosten vom Kunden einzufordern. Eine Fülle von positiven Gerichtsentscheidungen hat in der jüngeren Vergangenheit gezeigt, dass bereits in Fällen, in denen der Betrug durch Indizien belegbar war, das Gericht Täter mit den Ermittlungskosten belastet hat.

    Darunter fallen:

    • Kosten eines Sachverständigen
    • Kosten eines Ermittlers
    • Hausinterne Mehrkosten für Sachbearbeiter
  • Strafrechtliche Sanktionen

    Der Versicherungsbetrug ist ein Delikt, das auch strafrechtlich verfolgt wird. Es drohen fünf bis zehn Jahre Haft. Allein der Versuch ist strafbar.

    Grundlagen hierfür sind zwei Paragrafen im Strafgesetzbuch (StGB). Der Erste ist § 263. Hier heißt es:

    (1) „Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

    (2) „Der Versuch ist strafbar.“

    (3) „In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter (…) einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.“

    Der Zweite ist § 265. Hier heißt es:

    (1) „Wer eine gegen Untergang, Beschädigung, Beeinträchtigung der Brauchbarkeit, Verlust oder Diebstahl versicherte Sache beschädigt, zerstört, in ihrer Brauchbarkeit beeinträchtigt, beiseite schafft oder einem anderen überlässt, um sich oder einem Dritten Leistungen aus der Versicherung zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 263 mit Strafe bedroht ist.“

    (2) „Der Versuch ist strafbar."

Prävention: Wie funktioniert die Betrugsaufklärung bei Versicherern? Link kopieren

Die Motive von Betrügern haben sich den Experten zufolge im Laufe der Zeit kaum verändert – ihre Methoden hingegen schon. Internet und Digitalisierung führten zu neuen Betrugsformen und vereinfachten die Informationsbeschaffung für die Täter. Mit wenigen Klicks könne man sich zum Beispiel in Internetforen darüber informieren, wie eine Schadenmeldung so glaubhaft formuliert werden könne, dass der vermeintliche Schaden von einer Versicherung bezahlt werde.

Die Betrugsabwehr der Versicherer hat darauf reagiert, beispielsweise durch die Weiterentwicklung von Software zur Erkennung von Betrugsindizien oder den Einsatz speziell geschulter Mitarbeiter. Die Bildforensik gewinne bei der Betrugsabwehr immer mehr an Bedeutung. Denn Betrüger könnten mit Bildbearbeitungsprogrammen digitale Fotos manipulieren oder im Internet kursierende Bilder nutzen.

Versicherungen arbeiten auch an KI-Lösungen, wodurch eine noch bessere Unterstützung der Betrugsabwehr ermöglicht wird. Unabhängig erster KI-Ansätze erkennen die Mitarbeiter der Betrugsabwehr Auffälligkeiten, die von einer Software bislang noch nicht erkannt werden. Allein durch eine Plausibilitätsprüfung kann häufig schon festgestellt werden, ob sich der Schaden tatsächlich so ereignet hat, wie er geschildert wurde. Wenn es Abweichungen zwischen der gemeldeten Schadenhöhe und dem tatsächlichen Wert der beschädigten Gegenstände gibt, wird dies der geschulte Mitarbeiter erkennen.

Der Anfangsverdacht

Am Beginn jeder Ermittlung steht zunächst ein Verdacht des Sachbearbeiters. Diesen Verdacht gilt es zu erhärten oder zu entkräften. Bereits auf Grundlage der eingehenden Unterlagen kann die Versicherung prüfen, ob es sich um einen „normalen“ Schadenfall oder einen sogenannten „Prüffall“ handelt. Grundsätzlich gilt es in einem ersten Schritt die eingereichten Unterlagen sowie den geschilderten Schadenhergang zu prüfen. Kommt es hierbei zu Auffälligkeiten, z. B. wenn die Schilderung des Schadens im Vergleich zum Schadenbild nicht plausibel ist, entsteht ein Anfangsverdacht für einen möglichen Betrugsfall.

Der konkrete Verdacht

Erweist sich ein Verdacht als konkret, bleiben dem Sachbearbeiter weitere spezielle Aspekte zu prüfen, zum Beispiel:

  • Ist die Fallschilderung plausibel?
  • Sind Schaden und Objekt kompatibel?
  • Wie steht es um die finanzielle Situation des Versicherungsnehmers?

Auch gehört es zu den Standardprüfungen, die Rechnung auf eventuelle Ungereimtheiten zu untersuchen. Unter anderem sind folgende Aspekte wichtig:

  • Sind die Pflichtangaben korrekt?
  • Existiert der angegebene Hersteller einer beschädigten Sache?
  • Handelt es sich um eine Originalrechnung des Verkäufers?

Mit speziellen Farb- und lnfrarot-Video-Bildsystemen können Fälschungen oder Veränderungen an Dokumenten erkennbar gemacht werden. Durch eine integrierte Software können die Untersuchungsergebnisse dokumentiert werden.

Aufklärung und Pflichten

Für den Versicherer ergeben sich im Betrugsfall folgende Möglichkeiten: Er kann den Betrugsfall zur Anzeige bringen und auf Grundlage des geltenden Rechts das Verfahren gegen den mutmaßlichen Betrüger bestreiten – zum Schutz der vielen ehrlichen Kunden. Der Versicherungsnehmer hat dem Versicherer jede zumutbare Untersuchung über Ursache und Höhe des Schadens sowie über den Umfang der Entschädigungspflicht zu gestatten. Er ist etwa verpflichtet:

  • ausführliche und wahrheitsgemäße Schadensberichte zu erstatten,
  • alle Tatumstände mitzuteilen,
  • alle nach Ansicht des Versicherers für die Beurteilung des Schadensfalls erheblichen Schriftstücke und Belege beizubringen.

Tipps für Autofahrer: Provozierte Unfälle erkennen Link kopieren

Versicherungsbetrüger, die die Kfz-Versicherung reinlegen möchten, verwickeln regelmäßig ahnungslose Verkehrsteilnehmer in einen fingierten Autounfall. Dafür suchen sich die Täter meist Verkehrssituationen mit entsprechender Regelung: Fußgängerüberwege, Ampelanlagen oder die Einmündung paralleler Fahrstreifen – letztere sind übrigens ein ganz besonders bevorzugter Tatort. Meist winkt der Täter dem Fahrer im Auto hinter oder neben ihm, er könne die Fahrbahn wechseln oder einscheren, um dann im geeigneten Moment aufs Gas zu treten und sein Opfer, am besten allein im Auto sitzend, zu rammen oder sich rammen zu lassen. Der so in den Unfall Verwickelte ahnt oft nicht, dass er in eine Falle geraten ist und sich meist gleich mehreren Tätern gegenüber sieht, die seine angebliche Schuld später bezeugen.

Der GDV rät bei einem Verdacht, dass der Unfall vorsätzlich herbeigeführt worden sein könnte, zur weiteren Beweissicherung unbedingt die Polizei hinzuziehen und seinen Versicherer zu informieren. Wichtig sind beispielsweise Angaben darüber, ob der Unfallbeteiligte hätte bremsen oder ausweichen können oder ob er sogar sein Fahrzeug beschleunigt hat. Wichtig ist zudem, Fotos von den Unfallspuren, den Endlagen und von allen Seiten der beteiligten Fahrzeuge anzufertigen. Hinweise für einen provozierten Unfall können sein:

  • Der Unfallbeteiligte zeigt routiniertes Auftreten und Vorgehen.
  • Zeugen schalten sich ein und übern zusätzlich Druck aus.
  • Es gibt Hinweise auf Vorschäden am Fahrzeug.
  • Es gibt Anhaltspunkte für ein zielgerichtetes Handeln des Unfallkontrahenten (etwa Spurwechsel vor dem Crash, Geschwindigkeit erhöht, falsches Handzeichen gegeben)
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