Nachfrage sinkt wieder auf Niveau vor Ahr-Flut
Unmittelbar nach der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal vor fast einem Jahr verzeichneten die Versicherer einen spürbaren Anstieg beim Neuabschluss von Elementarschadenversicherungen. Inzwischen ist die Nachfrage wieder deutlich zurückgegangen.
„Von Anfang Januar bis Ende März 2022 wurden nur noch 125.000 Policen zum Schutz vor Extremwetter abgeschlossen“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. „Im dritten Quartal 2021, also unmittelbar nach der Ahr-Sturzflut, waren es noch 400.000 neue Verträge. In den letzten drei Monaten 2021 ging die Zahl dann bereits auf 175.000 zurück.“ Vor der Juli-Flut verzeichneten die Versicherer zwischen 50.000 und 100.000 neue Verträge je Vierteljahr.
„Wir haben schon häufiger beobachtet, dass sehr viele Menschen direkt nach einer Naturkatastrophe das Bedürfnis haben, sich abzusichern“, sagt Asmussen. „Leider nimmt das Interesse, wie auch in diesem Fall, mit wachsendem zeitlichem Abstand zum Ereignis wieder ab.“ Seit dem Hochwasser im Ahrtal ist die Zahl der Elementarschadenversicherungen insgesamt um rund vier Prozentpunkte gestiegen. „Das bedeutet: Immer noch haben nur etwa 50 Prozent aller Hausbesitzer in Deutschland diesen für sie existentiell wichtigen Versicherungsschutz. Das ist viel zu wenig“, so Asmussen.
„Unser Ziel ist Absicherung aller Wohngebäude gegen Extremwetterrisiken“
Vor diesem Hintergrund werben die Versicherer für das von ihnen im vergangenen Herbst vorgelegte Gesamtkonzept zur Klimafolgenanpassung. „Wir schlagen einen anderen Weg vor als eine singuläre Pflichtversicherung. Er wäre schneller umzusetzen und käme mit weniger Änderungen und Eingriffen in einen Markt für Naturgefahrenversicherungen aus, der ja auf der Angebotsseite funktioniert“, sagt Asmussen. “Ziel ist eine Absicherung aller Wohngebäude gegen Extremwetterrisiken.“
Der GDV regt an, Überschwemmungsschäden obligatorisch in neuen privaten Wohngebäudeversicherungen anzubieten. „Bestehende Verträge ohne Elementarschutz möchten wir zu einem Stichtag umstellen, wenn uns der Gesetzgeber den notwendigen Rechtsrahmen schafft“, erklärt Asmussen. „Wer schon gegen Elementarschäden versichert ist, für den ändert sich nichts. Bisher Unversicherte würden für diesen zusätzlichen Schutz einen risikogerechten Versicherungsbeitrag zahlen.“ Hausbesitzer, die diesen Schutz auch zukünftig nicht wollen, könnten aktiv widersprechen und somit frei entscheiden. „Es wäre ein milderes Mittel, als sie staatlich zu einer Versicherung zu zwingen“, sagt Asmussen.
„Bauverbote in hochwassergefährdeten Gebieten“
Das GDV-Gesamtkonzept setzt allerdings voraus, dass Bund, Länder und Kommunen nachhaltig umsteuern in Richtung mehr Prävention und Klimafolgenanpassung. „Es muss klar sein: Eine Versicherung allein rettet kein Menschenleben, verhindert keinen einzigen Schaden. Wir müssen uns als Gesellschaft gegen mehr Extremwetter rüsten und vor allem auch mehr vermeidbare Schäden verhindern“, so Asmussen. „Daher fordern wir unter anderem Bauverbote in hochwassergefährdeten Gebieten, eine verpflichtende Klima-Gefährdungsbeurteilung bei Baugenehmigungen und den besseren Schutz bestehender Gebäude.“
Es wird erwartet, dass sich die Justizminister der Länder auf ihrer Frühjahrskonferenz erneut mit der Elementarschadenversicherung und präventiven Maßnahmen beschäftigen. Das politische Ziel möglichst flächendeckender Versicherungen für alle Häuser dürfte nur mit Maßnahmen zu erreichen sein, die in bestehende Versicherungsverträge eingreifen und vorhandene Versicherungslücken schließen.