Die hohe Inflation muss Lebensversicherungskunden nicht schrecken
Die aktuelle Teuerungsrate nagt auch am Wert der Altersvorsorge. Beim langfristigen Sparen fällt der Effekt aber kaum ins Gewicht. Schon nächstes Jahr dürfte die Inflation deutlich sinken. Die Marktzinsen dürften dagegen weiter steigen.
Die Inflation in Deutschland hat ein Niveau erreicht, das lange undenkbar schien. Um 7,4 % kletterten die Preise im April gegenüber dem Vorjahresmonat – der höchste Wert seit 1973. Angesichts solcher Werte sorgen sich viele auch um den Werterhalt ihrer Altersvorsorge.
Wer eine Lebensversicherung hat, muss jedoch nicht sonderlich beunruhigt sein. Schließlich handelt es sich um ein langfristiges Vorsorgeprodukt für die finanzielle Absicherung des Ruhestands. Eine kurzzeitig hohe Inflationsrate fällt da weniger ins Gewicht, sofern Kunden ihre Sparpläne durchhalten.
Es ist vergleichbar mit einer Baustelle auf der Autobahn, die das Tempo kurzzeitig drosselt, an deren Ende die Fahrt aber wieder mit höherer Geschwindigkeit weiter geht.
Und über die lange Strecke kann die Lebensversicherung überzeugen, wie Zahlen der Bundesbank zeigen. Demnach lag die jährliche Verzinsung der Ansprüche von Versicherungskunden zwischen 1991 und 2020 stets über der jeweiligen Inflationsrate.
Überschussbeteiligung sicherte attraktive Leistungen
Das zeigt: Trotz niedriger und negativer Zinsen wurden in den letzten Jahren ansehnliche Erträge erzielt. Und das, obwohl der Höchstrechnungszins – auch Garantiezins genannt – in dem Zeitraum sukzessive gesunken ist. Die Überschussbeteiligung sicherte auch Sparerinnen und Sparern mit niedrigerem Garantiezins attraktive Leistungen.
Das geht auch auf die veränderte Strategie der Versicherer zurück, die im Niedrigzinsumfeld ihre Kapitalanlagen breiter gestreut und beispielsweise den Anteil von Aktien oder alternativen Investitionen erhöht haben.
Erst Ende 2021 stieg die Inflation erstmals über die Verzinsung der Lebensversicherung. Das wird auch in diesem Jahr der Fall sein: Für 2022 gehen die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrer Gemeinschaftsdiagnose von einem sprunghaften Anstieg der Inflationsrate auf 6,1 % für Deutschland aus.
Teuerung wird von Energiepreisen getrieben
Das ist deutlich mehr als die marktdurchschnittliche Verzinsung bei Lebensversicherungen von zuletzt 2,1 %. Die hohe Teuerung ist unter anderem getrieben von den Energiepreisen, die mit Ausbruch des Krieges in der Ukraine weiter angestiegen sind. Auch die immer noch wegen Corona gestörten Lieferketten sorgen wie bereits im Vorjahr für einen Preisschub.
Schon nächstes Jahr dürfte sich die Inflation aber wieder spürbar abflachen: Die Wirtschaftsforschungsinstitute gehen dann von einer jährlichen Preissteigerung von 2,8 % aus.
Zugleich wächst angesichts der derzeit hohen Inflation in der Eurozone der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB), die Zinsen anzuheben. Marktbeobachter rechnen inzwischen im dritten Quartal dieses Jahres mit einem ersten Zinsschritt.
Kapitalmarkt nimmt Entwicklung vorweg
Und mit jeder Zinserhöhung steigen die Renditen zinstragender Wertpapiere wie beispielsweise Unternehmensanleihen, Pfandbriefe, Schuldverschreibungen oder auch Hypothekendarlehen, in die Versicherer das Geld ihrer Kunden überwiegend investieren.
Der Kapitalmarkt nimmt diese Entwicklung schon vorweg: Die Marktzinsen steigen bereits seit August 2021 kontinuierlich an. Während beispielsweise die Rendite einer zehnjährigen Bundesanleihe damals mit -0,5 % noch im negativen Bereich lag, notierte sie zwischenzeitlich wieder bei über einem Prozent – der höchste Stand seit Mitte 2015. Nicht nur die Inflation steigt also auf neue Höhen, auch die (nominalen) Kapitalmarktzinsen kommen wieder auf ein Niveau, das es lange nicht gab.
Mittelfristig dürften daher die Überschüsse der Lebensversicherer wieder steigen – und in deren Folge auch die Überschussbeteiligung der Kundschaft. Gleichzeitig wirken sich steigende Zinsen positiv auf die finanzielle Stabilität der Lebensversicherer aus, wie sich bereits 2021 gezeigt hat.
Die Solvenzquote – also das Verhältnis von Eigenmitteln zur Solvenzkapitalanforderung – stieg binnen Jahresfrist von 370 auf 450 Prozent (beziehungsweise 260 Prozent ohne Übergangsmaßnahmen). Sie liegt damit ein Vielfaches über dem gesetzlich geforderten Mindestwert von 100 Prozent.