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Klima

Warum das französische CatNat-System keine Blaupause für Deutschland ist

Wie könnte eine Absicherung von Naturgefahren in Deutschland aussehen? Häufig wird das französische CatNat-System als Vorbild genannt. Die Versicherer haben da ihre Zweifel.

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© Boris Rössler / picture alliance

Der Neckar ist auf Höhe der historischen Altstadt und der Alten Brücke von Heidelberg bei massivem Hochwasser Anfang Juni 2024 über die Ufer getreten.

In der Debatte um eine verpflichtende Versicherung für Elementarschäden durch Starkregen und Hochwasser ist in den letzten Tagen vielfach die französische CatNat-Abgabe mit den Kosten für eine deutsche Wohngebäudeversicherung einschließlich Elementardeckung verglichen worden. Zum Teil mit Hochrisikoobjekten, die nur 0,4 Prozent der Wohngebäude in Deutschland ausmachen.

„Dieser Vergleich ist unseriös und schlichtweg falsch. Man kann Systeme vergleichen– dann aber bitte korrekt“, sagt die stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführerin Anja Käfer-Rohrbach. „Eine Eins-zu-Eins-Übernahme des französischen CatNat-Systems in Deutschland würde nicht weniger als einen vollständigen Paradigmenwechsel in der Versicherungslandschaft und in der Zusammenarbeit von Staat und Assekuranz nach sich ziehen.“ 

Frankreich betreibt seit 1982 ein Mischsystem für Naturgefahren. Neben dem privatwirtschaftlichen Versicherungsschutz, der in etwa der klassischen Wohngebäudeversicherung in Deutschland entspricht, gibt es das vom französischen Staat ins Leben gerufene System Catastrophe Naturelles (CatNat), in dem die Elementargefahren abgesichert werden. Für dieses CatNat-System müssen die Franzosen eine zusätzliche Abgabe entrichten. Zudem steht am Ende der französische Staat mit einer unlimitierten Staatgarantie für alle Schäden gerade, für die im CatNat-Topf kein Geld mehr ist. Aufgrund der Klimafolgen ist das CatNat-System in seiner Stabilität gefährdet. Es ist bereits seit 2015 defizitär. Das französische Finanzministerium veröffentlichte daher am 2. April 2024 dringende Empfehlungen, um das System zu stabilisieren.  

Besonderheiten des zentralistischen französischen Systems 

Frankreichs System ist von umfassender staatlicher Intervention und zentralistischen Entscheidungen geprägt. Der französische Staat 

  • legt den rechtlichen Rahmen des Systems umfassend fest, 
  • definiert die betroffenen Gefahren und die auslösenden Ereignisse, 
  • legt Preise, Selbstbeteiligungen und die Deckung fest
  • und haftet unlimitiert für Schäden über den öffentlichen Rückversicherer Caisse Centrale de Réassurance (CCR). 

Wie Käfer-Rohrbach weiter erläutert, ist die CCR Dreh- und Angelpunkt des französischen Systems. Dabei bietet sie den Versicherern nicht nur einen unlimitierten Stop-Loss-Rückversicherungsschutz mit staatlicher Garantie, sondern nimmt den Versicherern von jedem sonstigen Elementarschaden wie Hagel und Sturm auch noch die Hälfte des Schadens ab – als sogenannte proportionale Rückversicherung. 

Die „ins Schaufenster gestellte günstige Abgabe“ werde durch eine weitgehende Risikoübernahme durch den Staat und dessen CCR erkauft, so Käfer-Rohrbach. Der Staat sei zudem immer dann zum Eingreifen verpflichtet, wenn die Schadenbelastung für die CCR einen gewissen Betrag übersteigt, der als staatliche Interventionsschwelle bezeichnet wird. 

Pflichtabgabe an den Staat, der über die Auszahlung politisch entscheidet 

„Das französische Cat-Nat-System ist kein risikobasiertes privatwirtschaftliches Versicherungssystem im Sinne des Europäischen Aufsichtsregimes Solvency II“, sagt Käfer-Rohrbach. Vielmehr gelte: 

  • Es gibt keinen vertraglichen Anspruch auf Entschädigung aus dem CatNat-System. Entschädigt wird nur, wenn das Ereignis durch eine interministerielle Kommission in Paris zur Naturkatastrophe erklärt wird (Artikel 1 Absatz 4 CatNat-Gesetz). Ein direkter gesetzlicher Anspruch gegen das CatNat-System im Sinne des Vertragsrechts existiert nicht. 
  • Privatpersonen zahlen keine risikobasierte Prämie für Naturgefahren, sondern eine per Gesetz geregelte Abgabe in Höhe von derzeit noch zwölf Prozent der Sachversicherungsprämie. Die Abgaben werden im Jahr 2025 drastisch erhöht auf 20 Prozent, da das System durch den Klimawandel und Extremwetterereignisse seit Jahren defizitär ist.  
  • Die Höhe der gesetzlich festgelegten Selbstbeteiligung beträgt für Privatpersonen in diesem System 380 Euro je Schadenfall für Sachdeckungen (Gebäudeversicherung). Sie erhöht sich auf 1.520 Euro bei Schäden durch Erdsenkung infolge von Trockenheit beziehungsweise an Orten, die mehrfach von Naturkatastrophen betroffen waren. 
  • Hinzu kommen auch in Frankreich die Kosten für die zugrundeliegende Gebäudeversicherung und deren Naturgefahren, wenn das CatNat-System nicht zahlt. Die Kosten für die Versicherten in Frankreich liegen also in der Praxis deutlich höher. Die Behauptung, dass es in Frankreich eine Elementarschadenversicherung von „durchschnittlich 26 Euro jährlich“ gebe, ist somit nicht zutreffend. Zudem wird ein unzutreffender Vergleich mit der gesamten risikobasierten Versicherungsprämie für ein Wohnhaus in Deutschland hergestellt. 

„Zu guter Letzt verfügt das CatNat-System über eine dezidierte verfassungsrechtliche Grundlage“, so Käfer-Rohrbach. Artikel 12 der Präambel zur französischen Verfassung vom 27. Oktober 1946 führt demnach aus: „Die Nation erklärt die Solidarität und Gleichheit aller Franzosen bei der Tragung der Last, die sich aus nationalen Katastrophen ergibt.“ Eine vergleichbare grundgesetzliche Regelung existiere in Deutschland nicht, sodass jeder Schritt in Richtung CatNat mit verfassungsrechtlichen Risiken behaftet wäre. 

Positiv am französischen System ist, dass man am Ende das Naturgefahrenrisiko ganzheitlich betrachtet hat. Es behandelt Fragen der Versicherung ebenso wie die staatliche Beteiligung bei Größtschadenereignissen. Auch der sogenannte Barnier-Fonds (Fonds de Prévention des Risques Naturels Majeurs), der Anpassungs- und Schutzmaßnahmen fördern soll, gehört letztlich zum System. Die Einsicht, dass es mit „Versicherung“ alleine nicht getan ist, ist vor allem bei den Bundesländern leider immer noch nicht angekommen.  

Ansprechpartner

Kathrin Jarosch (© Christian Kruppa / GDV)
Kathrin Jarosch
Sprecherin GDV
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