Politik wirbt um das Kapital der Versicherer
Die Koalition will Deutschland modernisieren. Finanzieren sollen die Vorhaben auch private Investoren, wie auf der GDV-Konferenz deutlich wurde. Auch die EU wirbt um das Geld der Assekuranz – und stellt regulatorische Erleichterungen in Aussicht.
Die künftige Ampelkoalition setzt zur Finanzierung ihrer Vorhaben auch auf die Unterstützung der Wirtschaft. „Ohne massive Investitionen gerade des Privatsektors können wir unsere Ziele bei Digitalisierung und Klimaschutz nicht erreichen“, sagte der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Florian Toncar, am Mittwoch auf der Internationalen Regulierungskonferenz des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Die Privatwirtschaft sei Partnerin bei der Modernisierung, daher brauche es ein investitionsfreundliches Umfeld. „Auch Öffentlich-Private-Partnerschaften können eine Möglichkeit sein, gerade bei begrenzten öffentlichen Mitteln“, so Toncar.
Lob für GDV-Vorschlag zur Verbesserung von Elementarschutz
Der FDP-Finanzexperte bezeichnete zudem das Konzept des GDV für eine stärkere Verbreitung von Elementarschadenversicherungen als „sehr diskussionswürdigen Vorschlag“, um die bestehenden Versicherungslücken zu schließen. Es gehe darum, aus dem Dilemma herauszukommen, dass der Staat nach einer Katastrophe immer wieder finanziell einspringen müsse. GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen hob die Gesprächsbereitschaft des Verbandes hervor: „Wir werden darüber im Dialog bleiben.“
Langfristige Investitionen nicht erschweren
GDV-Präsident Wolfgang Weiler unterstrich unterdessen die Bereitschaft der Branche, an der Dekarbonisierung und Digitalisierung mitzuwirken. „Zur Finanzierung des Wandels können wir ganz wesentlich beitragen.“ Dank ihres langfristig ausgerichteten Geschäftsmodells seien die Versicherer prädestinierte Partner – und mit einem Kapitalanlagebestand von 1,5 Billionen Euro eine der größten Investorengruppen.
Mit Blick auf die anstehende Reform des Aufsichtsregimes Solvency II forderte Weiler, langfristige Investitionen nicht zu erschweren. „Es sollte tunlichst vermieden werden, regulatorische Anreize zur De-Investition aus Realwerten wie Aktien und Infrastruktur zu setzen.“ Sie seien der Schlüssel zur Finanzierung einer nachhaltigen Zukunft. „Aus diesem Grund sollte auch bei der Extrapolation der Zinskurve nachgeschärft werden“, so der GDV-Präsident.
Kritik an Kommissionsvorschlag für SII-Review
Nachdem die EU-Kommission unlängst ihre Pläne für eine Reform des Aufsichtsrechts vorgelegt hatte, stehen nun die Trilog-Verhandlungen mit den EU-Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament an. Die Bundesregierung will sich dabei dafür einsetzen, langfristige Investitionen der Versicherer zu vereinfachen: „Wir sind offen für Erleichterungen bei langfristigen Aktieninvestments“, sagte Eva Wimmer, Leiterin der Abteilung Finanzmarktpolitik im Bundesfinanzministerium. Der Schutz der Versicherten dürfe dabei allerdings nicht gefährdet werden. Nach Aussage von Wimmer will die Bundesregierung auch darauf drängen, dass wesentliche Punkte in der Solvency II-Richtlinie selbst festgelegt werden – und nicht erst später über delegierte Rechtsakte von EU-Kommission und europäischer Versicherungsaufsicht Eiopa.
EU-Parlament dringt auf Mitbestimmung bei SII-Reform
Diesen Punkt hob auch Markus Ferber, Sprecher der EVP-Fraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Währung im EU-Parlament, hervor: Die Auswirkungen des Kommissionsvorschlags seien schwer abzuschätzen, wenn wichtige Punkte wie die langfristige Zinskurve erst in den delegierten Rechtsakten festgeschrieben werden. „Das sind alles andere als kleine technische Details“, sagte Ferber. Gehe bei der Festlegung der Zinskurve etwas schief, könnten gerade die deutschen Lebensversicherer mit ihren langfristigen Verpflichtungen am Ende in die Röhre schauen.
Ferber unterstrich, dass sich das Aufsichtsregime in der Pandemie bewiesen haben. „Wir stehen bei der Überarbeitung von Solvency II nicht vor dem Problem, dass die Versicherer unsicher wären.“ Es gehe vielmehr darum, das brachliegende Potenzial der Versicherer zu entfesseln. Dies helfe auch den Kunden, die mit ihrer Altersvorsorge Ertragschancen nutzen wollten.
EU setzt auf Unterstützung der Assekuranz für den Green Deal
Das Kapital der Assekuranz will auch die EU für ihren Green Deal mobilisieren, mit dem Europa bis 2050 klimaneutral werden soll. Dafür sind nach Schätzungen europaweit Investitionen von jährlich 350 Mrd. Euro nötig. „Öffentliches Geld reicht nicht aus. Wir brauchen sie“, warb Alexandra Jour-Schröder von der EU-Kommission für ein stärkeres Engagement der Versicherer. Die stellvertretende Generaldirektorin der Generaldirektion für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und die Kapitalmarktunion (FISMA) verwies auf die von der EU-Kommission vorgesehenen Kapitalerleichterungen im Umfang von 90 Mrd. Euro. „Die Freisetzung von Kapital darf auf keinen Fall auf Kosten des risikobasierten Systems gehen.“
Sie verteidigte zugleich den Auftrag der EU-Kommission an Eiopa, bis 2023 mögliche Anpassungen der Kapitalanforderungen für Nachhaltigkeitsrisiken vorzuschlagen. „Hier brauchen wir mehr Analyse“, sagte Jour-Schröder. Kritiker befürchten, dass damit grüne Anlagen künftig durch erleichterte Kapitalanforderungen bevorzugt werden könnten – was eine Abkehr vom risikobasierten Modell von Solvency II bedeuten würde.
Bei der grünen Transformation des Finanzmarkts drängt die Zeit
Bei der grünen Transformation des Finanzmarktes drängt nach Auffassung von Matthias Kopp jedenfalls die Zeit. „Wenn man das 1,5-Grad-Ziel als Maßstab anerkennt, gibt es relativ wenig Handlungsspielraum“, sagte der Head of Sustainable Finance bei der Umweltschutzorganisation WWF. Er nehme ein großes Interesse der Versicherer an verbindlichen Nachhaltigkeitsstandards wahr, um ihre Investitionen entsprechend ausrichten zu können.
Jörg Ladwein, Chief Investment Officer bei Allianz Investment Management SE, dämpfte jedoch Erwartungen an schnelle sichtbare Erfolge. „Finanzunternehmen können nur über Nachhaltigkeitsdaten berichten, die sie von der Realwirtschaft bekämen“, betonte er. Daher werde der Anteil grüner Investments zunächst kleiner erscheinen, als er in Wirklichkeit sei.
BaFin macht Nachhaltigkeit zum Schwerpunktthema
Nachhaltigkeit ist auch für die nationale Finanzaufsicht BaFin eines von drei Schwerpunkthemen im kommenden Jahr, wie Frank Grund, Exekutivdirektor für Versicherungen, betonte. „Wir interessieren uns dafür, ob die Versicherer die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken angemessen berücksichtigen“, so Grund. Daneben will sich die Behörde 2023 besonders um die Themen Digitalisierung und den kollektiven Verbraucherschutz kümmern: „Viele Versicherer haben in der Pandemie ihre Prozesse digitalisiert. Dabei dürfen Verbraucher nicht zu kurz kommen“, so Grund.
Text: Karsten Röbisch