Warum ein völliger Verzicht auf Garantien falsch wäre
Die Bundesregierung will die geförderte private Altersvorsorge reformieren. Dabei geht es auch um die Zukunft der Kapitalgarantien. Gänzlich aufgeben sollte man sie jedoch nicht – aus mehreren Gründen.
1. Die Deutschen wollen Sicherheit
Die Deutschen bevorzugen bei der Altersvorsorge Sicherheit. Das bestätigen Umfragen immer wieder, zum Beispiel hier oder hier. Selbst die Aussicht auf höhere Renditen bringt die Menschen nicht dazu, stärker ins Risiko zu gehen, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa gezeigt hat. Zwei Drittel der Befragten wollen demnach bei der Sicherheit keine Abstriche machen.
Ob das nun gut oder schlecht ist, sei dahingestellt. Die Deutschen ticken einfach so, ihre Vorsicht scheint Teil ihrer DNA. Ein Altersvorsorgeprodukt gänzlich ohne Garantien entspricht also offenkundig nicht dem, was die meisten Frauen und Männer wollen. Es ist in etwa so, als würde man jedem den neuesten Schick aus Paris überstülpen, nur weil der gerade angesagt ist. Dabei ist es doch viel entscheidender, dass sich jeder in seiner Klamotte wohlfühlt. Heißt übertragen auf Sparer: Sie sollten nur solche Risiken eingehen, die sie aushalten können. Sonst verlieren sie die Geduld – mit fatalen Folgen (siehe Punkt 2).
2. Kursschwankungen gefährden Durchhaltevermögen
Ein kompletter Verzicht auf Garantien führt dazu, dass die Produktanbieter ausschließlich in Aktien und andere riskante Wertpapiere investieren können. Große Wertschwankungen sind dann unvermeidlich. Und genau darin liegt eine Gefahr.
Denn viele Sparer können mit stark schwankenden Kursen nicht umgehen. Sie agieren prozyklisch, steigen erst ein, wenn die Märkte bereits lange gut gelaufen sind und geben schnell entnervt auf, wenn die Kurse einbrechen. Und verpassen so die nächste Kurserholung. Das liegt an der geringen Verlusttoleranz (siehe Punkt 1). Auch deshalb entspricht in der Realität die Rendite der Anleger nie der Performance des Gesamtmarktes. Die Abweichung ist umso größer, je schwankungsanfälliger der jeweilige Referenzwert – zum Beispiel ein Aktienindex – ist.
Daraus ergibt sich eine weitere Konsequenz: Von zwei Anlageformen, die über einen längeren Zeitraum die gleiche Rendite abwerfen, halten Anleger am ehesten bei derjenigen durch, die weniger im Wert schwankt. Diese Erkenntnis ist sehr wichtig, wenn es darum geht, die private Altersvorsorge weiter zu verbreiten. Denn was nützt das Versprechen langfristig höherer Renditen, wenn die Sparer zwischendurch aufgeben. Beim Vermögensaufbau ist Durchhaltevermögen gefragt.
3. Planungssicherheit geht verloren
Stellen Sie sich vor, Sie stehen kurz vor der Rente und überlegen sich schon, wofür sie ihre Ersparnisse verwenden. Vielleicht wollen Sie damit den altersgerechten Umbau ihres Hauses finanzieren? Oder aber Sie rechnen sich schon ihre monatliche Zusatzrente aus, mit der Sie ihren Finanzbedarf im Alter decken können. In jedem Fall wäre es fatal, wenn ihr Vermögen plötzlich zusammenschmilzt und Sie deutlich weniger erhalten als gedacht.
Die Gefahr aber besteht, wenn es keine Garantien in der Altersvorsorge mehr gibt. Dann müssen Sparer damit rechnen, dass ein Börseneinbruch ihre Kalkulation zunichtemacht. Und die Verluste können ziemlich empfindlich sein, wie ein Blick auf die schlimmsten Kurseinbrüche am deutschen Aktienmarkt seit 1990 zeigt: 2008 gab der Leitindex Dax um 40 Prozent nach, 2002 sackte er gar um 44 Prozent ab und 1990 betrug das Minus immerhin noch 22 Prozent. Selbst 2018 ging es um 18 Prozent nach unten. Oder denken wir an Anfang 2020, als der Dax infolge der Corona-Panik innerhalb eines Monats um 40 Prozent an Wert verlor – wenngleich er sich fast ebenso schnell wieder berappelte.
Schwere Börsenbeben sind also gar nicht so selten. Und wenn sie einen kurz vor der Rente treffen, ist das besonders tragisch. Denn dann fehlt Sparern die Zeit, um eine Kurserholung abzuwarten.