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Rente & Vorsorge

Was der Zinsanstieg für Lebensversicherer und ihre Kundinnen und Kunden bedeutet

Die Zinsen steigen – eine gute Nachricht für Kundinnen und Kunden mit Lebensversicherungen. Auch weil Lebensversicherer die in den vergangenen Jahren gebildete Zinszusatzreserve ab 2022 allmählich zu Gunsten der Versicherten auflösen können.

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© Pexels

Die sogenannte Zinszusatzreserve (ZZR) sichert zugesagte Versicherungsleistungen auch in einem herausfordernden Niedrigzinsumfeld. Vereinfacht formuliert: Lebensversicherer haben wegen der niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt seit 2011 einen großen Zinspuffer für die Garantiezinsen der Kunden aufgebaut. In den letzten Jahren wurden branchenweit jährlich teilweise zweistellige Milliardenbeträge durch die Lebensversicherer zurückgestellt. Zum Jahresende 2021 betrug die ZZR ca. 96 Milliarden Euro. 2022 wird sie erstmals sinken. 

Was geschieht mit der Reserve, wenn die Zinsen stagnieren oder weiter steigen? 

Bei einem stabilen oder steigenden Referenzzins können Lebensversicherer ihre gebildete Zinszusatzreserve allmählich auflösen. Wichtig: Wenn Mittel aus der Reserve frei werden, stehen sie ausschließlich den Kundinnen und Kunden zu. Unternehmen bzw. die Aktionäre profitieren nicht von der Auflösung der ZZR. 

Ob und wie schnell die ZZR in Zukunft verringert werden kann, hängt im Wesentlichen von drei Faktoren ab: Erstens dem allgemeinen Zinsniveau am Kapitalmarkt, zweitens der Höhe der garantierten Versicherungsleistungen mit einem Rechnungszins über dem Referenzzins sowie drittens der (Rest-)Laufzeit des für die ZZR relevanten Bestandes.  

Bleibt der Referenzzins auf dem aktuellen Niveau, müssten Lebensversicherer für alle Verträge mit einer niedrigeren Garantie keine Zinszusatzreserve aufbauen. Gleichzeitig müssen für die Verträge für die eine ZZR gebildet wird und die noch länger als 15 Jahre laufen, zusätzliche Rückstellungen zur ZZR gebildet werden. Da jedoch bereits heute alte - in der Vergangenheit höher verzinste - Verträge auslaufen, wirkt sich der sogenannte Bestandseffekt positiv auf den Abbau der ZZR aus. Gemäß Prognose überwiegen die Bestandseffekte im Branchenmittel gegenüber dem noch zu stemmenden Zuführungsbedarf. Die prognostizierte ZZR für 2022 kann erstmals sinken. 

Wenn ein Lebensversicherer seine ZZR verringern kann, geht das freiwerdende Kapital an die Kundinnen und Kunden. Zunächst wird das Kapital zur Finanzierung der Garantien genutzt. 


Steigen die Zinsen noch weiter, werden die Mittel aus der ZZR nicht mehr zur Finanzierung der Garantien benötigt. Ein Abbau der ZZR wird bei der Ermittlung der Mindest-Überschussbeteiligung vollständig angerechnet und kommt so zu 100 Prozent den Kundinnen und Kunden zugute. 

Lebensversicherer können die verfügbaren Mittel aus der Reserve aber auch dazu verwenden, die künftigen Erträge zu stärken. Sie können dies z. B. umsetzen, indem sie festverzinsliche Wertpapiere mit niedrigem Zins verkaufen und den Erlös in neue, attraktiver verzinste Wertpapiere oder andere Kapitalanlagen investieren. 

Bleiben nach der Finanzierung aller garantierten Leistungen und der Stärkung der künftigen Erträge noch Mittel aus dem Abbau der ZZR übrig, werden diese für die Überschussbeteiligung der Kunden zurückgestellt. 

Fazit 

Der aktuelle Zinsanstieg und der damit eingeläutete Ausgang aus dem Negativzinsumfeld ist eine gute Nachricht für die Kundinnen und Kunden. Die Solvenzquoten der Lebensversicherer steigen ebenso wie die Rendite festverzinslicher Wertpapiere in der Neu- und Wiederanlage. Gleichzeitig kann es bereits im Jahr 2022 zu einer ersten Auflösung der Zinszusatzreserve kommen. Freiwerdende Mittel aus der ZZR werden dann zur Finanzierung der zugesagten Versicherungsleistungen genutzt. Steigt der Zins weiter, kann durch die Stärkung künftiger Erträge die Resilienz verbessert werden. Mittel- bis langfristig profitieren Kundinnen und Kunden in Form einer steigenden Überschussbeteiligung. 

So wird die Zinszusatzreserve ermittelt

Maßgeblich für die Zuführungen zur ZZR ist der Referenzzins, der sich aus den von der Bundesbank ermittelten Zinssätzen der ersten neun Monate des aktuellen Kalenderjahres sowie der vergangenen neun Jahre zusammensetzt. Der Referenzzins war nach Einführung der Zinszusatzreserve viele Jahre gesunken. Dadurch wurde es für bestehende Verträge mit höherem Rechnungszins notwendig, zusätzliche Beiträge zur ZZR zu reservieren.  

Im Juli 2021 änderte sich die Lage: Seitdem ist der relevante Bezugszins zur Ermittlung des Referenzzinses beständig gestiegen. Während der Bezugszins im August 2021 noch im negativen Bereich tendierte (Wert: -0,031 Prozent), kletterte er bis Ende September 2022 auf einen Wert von 3,072 Prozent. Der Mittelwert der ersten neun Monatsendstände 2022 liegt bei 1,71 Prozent. Damit kommt es erstmalig zu einer Stagnation des Referenzzinssatzes, der auf dem Vorjahreswert von 1,57 Prozent verbleibt. Dementsprechend kommt es Ende des Jahres 2022 zu einem ersten Abbau der ZZR. 

So wirkt ein konstanter Referenzzins auf die Zinszusatzreserve

Berechnungsbeispiel für eine Lebensversicherung mit vier Prozent Garantiezins und konstantem Referenzzins von 1,57 Prozent: 

Zum 31.12.2021 hat der Vertrag noch zehn Jahre Restlaufzeit. Die ZZR wird also für zehn Jahre für die Garantiezinsen oberhalb des Referenzzinses von 1,57 Prozent gestellt. Zum 31.12.2022 beträgt die Restlaufzeit des Vertrages neun Jahre, entsprechend wird die ZZR auch nur für diese Zeit gebildet. Sie verringert sich also. Die freiwerdende ZZR wird zur teilweisen Finanzierung des Garantiezinses genutzt. Vereinfacht gesprochen werden so 2,43 Prozent des Garantiezinses finanziert, weitere 1,57 Prozent kommen aus den Zinserträgen der Kapitalanlagen.

Wie der Zinsanstieg auf die Bilanz wirkt 

Während Lebensversicherer in Zeiten sinkender Zinsen stille Reserven ansammelten, kommt es bei steigendem Zinsniveau zu einem Rückgang der Bewertungsreserven. Steigt der Zins wie zuletzt sehr stark, können stille Lasten entstehen. Werden die zugrundeliegenden Wertpapiere vom Lebensversicherer bis zur Endfälligkeit gehalten, hat die Entstehung stiller Lasten jedoch keine Auswirkungen auf die Verzinsung der Versicherer. Die Zinserträge aus der Kapitalanlage bleiben von der Entstehung stiller Lasten unberührt, einzig der Zeitwert der zugrundliegenden Anlage sinkt. 

In der Vergangenheit haben Lebensversicherer durch die Auflösung stiller Reserven die Nettoverzinsung erhöht und damit die ZZR finanziert. Dies ist nun seltener oder nicht mehr erforderlich. Trotz steigender Renditen festverzinslicher Anlagen in der Neu- und Wiederanlage (rund 77 Prozent der gesamten Neu- und Wiederlange) ist daher zunächst mit einem Rückgang der Nettoverzinsung zu rechnen.