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Nachhaltigkeit

Europäische Aufsichtsbehörden einigen sich auf sektorübergreifende Greenwashing-Definition

Die Europäischen Aufsichtsbehörden (ESA, European Supervisory Authorities) sollen der EU-Kommission bis Mai 2024 Maßnahmen gegen Greenwashing im Finanzsektor empfehlen. Nun haben alle drei Aufsichten ihre Zwischenberichte vorgelegt.

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© Siân Wynn-Jones/Unsplash

In den Berichten definieren die ESA sektorübergreifend, was sie unter Greenwashing verstehen und analysieren jeweils für ihre beaufsichtigten Bereiche, wo Greenwashing in der Praxis vorkommen kann. Basis dafür ist unter anderem eine Umfrage vom Jahresbeginn, an der sich auch der GDV mit einer Stellungnahme beteiligt hatte.  

Als Greenwashing definieren die Aufsichten, wenn nachhaltigkeitsbezogene Behauptungen, Erklärungen, Handlungen oder Mitteilungen das zugrunde liegende Nachhaltigkeitsprofil eines Unternehmens, eines Finanzprodukts oder einer Finanzdienstleistung „nicht eindeutig und redlich“ widerspiegeln. Dies kann für Verbraucher, Anleger oder andere Marktteilnehmer irreführend sein. Es kommt in der Bewertung der ESA nicht darauf an, ob daraus ein unmittelbarer Schaden für Kund-/innen oder ein unfairer Wettbewerbsvorteil entsteht. 

Die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA (European Insurance and Occupational Pensions Authority) hat ergänzend dazu „Nachhaltigkeitsaussagen“ definiert: Dies sind Aussagen von Unternehmen, wonach sie oder eines ihrer Produkte der Umwelt oder der Gesellschaft „nützen“. Der Nutzen kann sowohl im positiven Impact bestehen als auch darin, gar keinen Einfluss auf Nachhaltigkeitsfaktoren zu nehmen oder negative Auswirkungen zu vermeiden. Auch Aussagen zur Verringerung von Klimawandelfolgen bzw. Klimafolgenanpassung zählt EIOPA dazu.  

Unklare Vorgaben sind Greenwashing-Risiko  

In den Zwischenberichten analysieren die ESA sehr detailliert, wo in den von ihr beaufsichtigten Branchen Risiken für Greenwashing bestehen. Für EIOPA umfasst dies die Unternehmensebene selbst, aber auch den gesamten Lebenszyklus von Produkten (Entwicklung, Vertrieb, Management, Informationen). In der Analyse gewichten die ESA die Schwere der dargestellten Greenwashing-Risiken nicht. Sie unterscheiden auch nicht danach, ob Unternehmen gegen bestehende Normen verstoßen, oder ob sie die Normen (zulässig) interpretieren. Auch kann aus ihrer Sicht ein unbewusstes, nicht vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten potenziell zu Greenwashing führen. Allerdings könnten bei aufsichtlichen Maßnahmen Vorsatz, Fahrlässigkeit oder unangemessen umgesetzte Sorgfaltspflichten negativ gewertet werden. Bei den weiteren Arbeiten der ESA wird es daher wichtig sein, den Begriff des Greenwashings nicht zu überdehnen.  

Zugleich legen die ESA aber auch dar, dass die oft nicht ausreichend aufeinander abgestimmten Vorgaben der Europäischen Union ein Grund für Fehlinterpretationen der Vorgaben und unbeabsichtigtes Greenwashing sein kann. 

EIOPA gibt in ihrem Zwischenbericht zudem einen Überblick über die Kapazitäten der nationalen Versicherungsaufsichten, um Greenwashing vorzubeugen. Demnach bauen die Aufsichten ihre Kapazitäten dazu noch auf. Die bislang unvollständige Gesetzgebung und die notwendige Ausstattung mit qualifiziertem Personal stellen die Behörden vor Herausforderungen. In einem Pilotprojekt wird EIOPA im Jahr 2024 vier Aufsichten mit „Supervisory Tech“-Tools und Hilfestellungen bei der Identifikation von Greenwashing unterstützen.  

Anti-Greenwashing-Maßnahmen aufeinander abstimmen 

Bis Mai 2024 werden die Aufsichten konkrete Maßnahmen für die Prävention und Ahndung von Greenwashing vorschlagen. Schon jetzt sehen EIOPA und die Finanzmarktaufsicht ESMA (European Security and Markets Authority) Reformbedarf für den Rechtsrahmen, da die Vorgaben in der Offenlegungsverordnung, Taxonomie und Vermittlerrichtlinie oftmals Lücken aufweisen und nicht zusammenpassen. Auch fehlende Daten sind für die Aufsichten ein großes Problem. Das liegt daran, weil die Transparenzvorgaben für Finanzunternehmen und ihre Produkte früher gelten als für die nachhaltigkeitsbezogenen Auskünfte von Unternehmen der Realwirtschaft, auf denen sie basieren. Notwendig ist auch der Aufbau von ESG-Kompetenzen bei Kund-/innen („ESG-Literacy“).  

Die ESMA legt darüber hinaus bereits einige recht konkrete Vorschläge vor, z. B. dass die Aufsichten best practice erarbeiten, wie ein nachhaltiger Beitrag eines Produkts nach der Offenlegungsverordnung (sog. Artikel-9-Produkt) definiert werden könnte. Auch Produktlabels oder Vorgaben zur Benennung von Investmentfonds könnten aus Sicht der ESMA sinnvoll sein. Für den GDV ist dabei wichtig, dass neue Vorgaben sowohl zu den laufenden Gesetzesvorhaben gegen Greenwashing passen als auch gleiche Wettbewerbsbedingungen für die verschiedenen Anbieter gewährleisten.  

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