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Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeitsaussagen: BGH urteilt zu „Klimaneutralität“ und EU-Rat positioniert sich zu Green Claims

Die Gefahr irreführender Umweltaussagen ist hoch, daher steigen die Anforderungen an Erläuterungen und Belege. In Deutschland hat der Bundesgerichtshof über Transparenz beim Begriff „klimaneutral“ verhandelt. In Europa werden die Positionen für einen Rechtsrahmen für Umweltaussagen mit der Green Claims-Richtlinie festgezurrt.

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© querbeet / Getty Images

Klimaneutral – in der Werbung muss dieser mehrdeutige Begriff konkret erläutert werden, so urteilte der BGH. Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs hatte ein Unternehmen aus der Lebensmittelwirtschaft verklagt. Es hatte seine Produkte in einer Fachzeitschrift mit diesem Begriff beworben und für Einzelheiten auf die Internetseite eines Dienstleisters für CO2-Kompensationsprojekte verwiesen. Die Bedeutung des Urteils erstreckt sich auf alle Wirtschaftsbereiche.

Der BGH befand die Werbung als irreführend im Sinne des Wettbewerbsrechts und daher als unzulässig. Bei umweltbezogener Werbung sieht der BGH eine besonders große Irreführungsgefahr. Die Adressat-/innen müssten daher besonders gut aufgeklärt werden, welche Bedeutung und Inhalte dahinter stünden. 

Klimaneutral: Reduktion und Kompensation nicht gleichwertig

Im konkreten Fall wurde die beworbene Neutralität nicht allein durch Emissions-Reduktion, sondern mit Kompensation begründet. Reduktion und Kompensation sind aus Sicht des Gerichts jedoch keine gleichwertigen Maßnahmen, da die Reduktion für den Klimaschutz vorrangig ist.

Der Begriff dürfte ohnehin bald aus der Werbung verschwinden. Im März wurde die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel im Amtsblatt der EU verkündet. Die Richtlinie ergänzt das Wettbewerbsrecht um spezifische Vorgaben zur Vermeidung von Greenwashing. Auf Kompensationsmaßnahmen gestützte Aussagen zu Emissionen werden eingeschränkt und generische, nicht näher begründete Umweltaussagen ganz verboten. Die Vorgaben sind ab September 2026 anzuwenden. 

Mindeststandards für Umweltaussagen: EU-Verhandlungen starten im Herbst

Wie Unternehmen seriöse Umweltaussagen über ihre Produkte treffen können, wird wohl in Zukunft die EU-Richtlinie zu „Green Claims“ festlegen. Das Europäische Parlament (EP) und der der Rat der Europäischen Union haben ihre Verhandlungspositionen zur Richtlinie festgezurrt – im Herbst wird wohl der Trilog dazu beginnen. 

Die Mindeststandards, die die EU-Kommission 2023 vorgeschlagen hatte, sollen für freiwillige Umweltaussagen von Unternehmen über ihre Produkte oder Dienstleistungen gelten. Sie müssen diese Aussagen in Zukunft unabhängig überprüfen lassen und anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse belegen. Die Prüfung führen speziell akkreditierte, unabhängige Prüfer verpflichtend vorab durch. Zudem soll es nur noch unionsweite neue staatliche Umweltlabels geben. Bestehende Labels könnten aber erhalten bleiben und weiter verliehen werden.

Umweltzeichensysteme oder Umweltaussagen, die in spezielleren Rechtsakten geregelt werden, sollen allerdings ausgenommen werden. Dazu gehören Aussagen nach der Bilanz-Richtlinie und der Offenlegungsverordnung. Auch Aussagen zu Produkten oder Maßnahmen, die durch vorteilhafte Konditionen umweltbewusstes Verhalten der Kund-/innen fördern oder honorieren, fallen nicht unter die Richtlinie. 

Positionen von Rat und EP

Die beiden Co-Gesetzgeber, der Rat der EU und das EP, haben jeweils ihre Änderungswünsche abgestimmt, die sie im sogenannten Trilog erreichen wollen. Der Rat vertritt die folgenden Positionen:

  • Einführung eines vereinfachten Verifizierungsverfahrens für bestimmte Arten von Umweltaussagen als Alternative zur verpflichtenden ex-ante-Überprüfung,
  • Maßnahmen zur Unterstützung von KMUs, einschließlich Kleinstunternehmen,
  • neue Anforderungen zum Nachweis von klimabezogenen Aussagen, einschließlich Aussagen zu CO2- Gutschriften,
  • Möglichkeit der Fortführung bestehender Umweltlabels, soweit sie die Vorgaben der Richtlinie erfüllen.

Das EP hatte bereits im März 2024 seine Position festgelegt, die u.a. anstrebt:

  • Klarstellung, dass unter die Offenlegungsverordnung fallende Aussagen nicht von der Richtlinie erfasst werden,
  • vereinfachtes Überprüfungsverfahren für bestimmte Arten typischer oder einfacher gelagerter Umweltaussagen,
  • zusätzliche Vorgaben in Bezug auf Aussagen zu Emissionsreduktionen.

Im Herbst 2024 wird das neu gewählte Parlament wohl die Trilogverhandlungen aufnehmen. Angesichts der veränderten EP-Zusammensetzung ist schwer absehbar, in welche Richtung sich die Verhandlungen entwickeln werden. 

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