Wie die Handykamera die Schadenregulierung revolutioniert
Versicherte dokumentieren echte und angebliche Schadensfälle immer öfter und gern auch ausgiebig mit Fotos von ihren Handys. Und die Schadenregulierer? Die müssen sich das alles angucken. Was das bedeutet, haben wir hier zusammengetragen.
Eine der wichtigsten Reliquien der deutschen Versicherungsbranche wird im Museum von Borussia Dortmund ausgestellt. In einer Vitrine des Borusseums liegt die legendäre Brille des BVB-Meistertrainers Jürgen Klopp. Das Titanflex-Modell ging im Februar 2011 im wilden Jubel über den 3:1-Sieg gegen den FC Bayern zu Bruch und wurde nach dem Spiel zum Härtetest für die Schadenregulierer.
Gleich mehrere Betrüger reichten ein Foto der Brille bei ihrer Versicherung ein, gaben Klopps Lesehilfe als ihre eigene aus und forderten Schadenersatz. Die Fotos hatten sie aus dem Internet geladen.
Angebliche „Beweise“ von der Handycam
Einige ziehen fremde Fotos aus dem Netz, andere zücken ihre Smartphones, um angebliche Schadensfälle zu dokumentieren: Ein Betrüger kaufte in einem Internetauktionshaus für wenig Geld defekte Fahrradkomponenten. Ein gebrochener Carbon-Rahmen, ein Satz beschädigter Laufräder, dazu Kleinteile wie Bremsen und Sattel mit einigen Macken wurden zu einem vollständigen Fahrrad zusammengesetzt. Der Mann fotografierte sein Flickwerk, meldete den Diebstahl seines angeblich hochpreisigen Zweirads und machte einen Schaden von 5.000 Euro geltend. Die „Beweise“ von seiner Handykamera sendete er per E-Mail – siehe Fotos im Anhang.
Fixe Bilder, fixe Schadenregulierung
Laut Digitalverband Bitkom nutzen mehr als sechs von zehn Bundesbürgern ab 14 Jahren ein Smartphone samt Kamera und haben ihre Handys im Alltag fast immer griffbereit. Diese Verbreitung hat, im Guten wie im Schlechten, „große Auswirkungen auf die Schadenabwicklung“, heißt es etwa bei der Debeka. Kaum ein Blechschaden, der nicht unverzüglich und umfassend per Handykamera festgehalten wird. Sie ist auch schnell bei der Hand, um bei einem Einbruch beschädigte Fensterscheiben und Möbel zu fotografieren, oder auch die Notreparatur einer geborstenen Wasserleitung.
Wer seine Versicherer so fix mit Informationen versorgt, erwartet eine schnelle Reaktion. Deshalb sichtet die Debeka die Fotos umgehend und gibt mitunter bereits nach einem Telefonat den Auftrag zum Beseitigen der Schäden, sofern der Kostenvoranschlag – etwa von einer Kfz-Werkstatt – zum eingereichten Foto passt. Auch die Axa wertet die Smartphone-Schnappschüsse positiv: „Sie ersparen Besichtigungen und helfen bei der Aufklärung.“ Vorausgesetzt, die Fotos sind „aussagekräftig, das heißt, der Schaden ist erkennbar und einer lokalen Örtlichkeit zuzuordnen“.
Dankbare Versicherer
Geradezu dankbar sind Versicherer, wenn die Folgen von schweren Unwettern, Hagelschlag oder Flutkatastrophen fotografisch dokumentiert werden. Da ein Gutachter womöglich erst nach Tagen vorbeikommt, wird bei solchen Kumulschäden die lückenlose Dokumentation fast wichtiger als die sofortige Schadenmeldung.
Angst, in Terabytes an Bildern zu ertrinken, haben die Regulierer nicht. Dann müsse eben die Speicherkapazität angepasst werden, heißt es lakonisch bei der R+V Versicherung. Und: Bei jedem einzelnen Foto könnten die Regulierer leicht nachvollziehen, ob es manipuliert worden ist.
So wenig überzeugend die Aussage eines Versicherten ist, er hätte einen unerwarteten Schadenfall mangels Kamera nicht dokumentieren können – vertraglich ist er nicht dazu verpflichtet. Manche Menschen benutzen ihr Handy ja tatsächlich nur zum Telefonieren. Ratsam ist es aber, einen entstandenen Schaden direkt vor Ort zu dokumentieren.
Text: Helmut Monkenbusch, Foto: Robert Wolf