#PräventionsDialog: Wie schützen wir die Gesellschaft vor Naturgefahren?
Extreme Wetterereignisse nehmen infolge des Klimawandels zu. Menschenleben sind bedroht, Sachschäden steigen. Volkswirtschaftliche Kosten durch Starkregen oder Hochwasser gehen schon jetzt in die Milliarden. Die Regierungschef/-innen der Länder fordern deshalb die Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden. Die deutschen Versicherer setzen sich hingegen für Prävention und Klimafolgenanpassung ein. Wir fassen die unterschiedlichen Perspektiven vom Präventionsdialog, der am 13. Oktober stattfand, zusammen.
Hochwasser, Starkregen, Stürme, Brände, Hitze, Dürren: Frequenz und Intensität solcher Ereignisse nehmen durch den Klimawandel zu. Klimafolgenanpassung ist daher keine abstrakte Aufgabe internationaler Konferenzen mehr, sondern zu einem realistischen Szenario geworden.
Versicherungswirtschaft und Politik eint das Ziel, das Potential der Elementardeckung in der privaten Wohngebäudeversicherung vollumfänglich auszuschöpfen. Zahlungen des Staates an unversicherte Hauseigentümer, die sich hätten versichern können, sind keine volkswirtschaftlich nachhaltige Lösung. Die deutschen Versicherer werden die Klimafolgenanpassung daher durch den notwendigen Versicherungsschutz flankieren.
Nach dem Beschluss der Regierungschef/-innen der Länder vom 2. Juni 2022 soll das Bundesministerium der Justiz bis Dezember 2022 einen praktikablen Regelungsvorschlag zur Absicherung von privaten Wohngebäuden gegen Elementarschäden prüfen. Die deutschen Versicherer sprechen sich in ihrem Gesamtkonzept für einen Dreisprung aus Aufklärung, verbindlichen Maßnahmen zur Prävention und Versicherungsschutz aus: Denn nur mit dem Wissen um die Gefahr und darauf aufbauender Vorsorge kann Versicherungsschutz Hab und Gut langfristig und nachhaltig absichern.
Folgende Fragen wurden in den beiden Panels beim Präventionsdialog am 13. Oktober 2022 diskutiert: Wie schützen wir die Gesellschaft vor Naturgefahren? Ist die Einführung einer Pflichtversicherung dafür eine langfristige Lösung? Welche präventiven Maßnahmen wären geeignet, um sich vor zunehmenden Naturgefahren wirksam zu schützen? Nachfolgend dokumentieren wir die wichtigsten Positionen und stellen die einzelnen Perspektiven vor.
Keynote von Jörg Asmussen
Die Folgen des Klimawandels zeigen sich deutlicher als jemals zuvor. Die Flutkatastrophe vom Sommer 2021 hat tiefe Spuren bei den Betroffenen hinterlassen – menschlich und materiell. Tief „Bernd“ ist die bis heute verheerendste Naturkatastrophe in Deutschland. Die deutschen Versicherer sprechen sich vor dem Hintergrund der Ereignisse und mit Blick auf zukünftige Ereignisse dringend für ein neues Gesamtkonzept zur Klimafolgenanpassung aus. Es setzt auf Aufklärung, verbindlichen Maßnahmen zur privaten und staatlichen Prävention und Versicherung.
Politische Perspektive
Dr. Susanne Lottermoser, Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz appelliert: „Für Starkregenereignisse müssen wir noch mehr leisten und einheitliche Kriterien für Starkregengefährdungskarten erarbeiten.“ Die Aufgabe der Politik sieht sie darin, eine vorsorgende Anpassungsstrategie zu erarbeiten, in der messbare Ziele verortet sind. Darin seien laut Lottermoser alle Ministerien beteiligt.
Cornelia Weigand, Landrätin aus dem Ahrtal, gab zu bedenken, dass die erhöhte Gefahr von Extremwetter auch in die Landesplanung einfließen muss. „Wir müssen länderübergreifend denken – Wasser macht vor Landesgrenzen nicht halt. Die Informationen sollten bundeseinheitlich vorliegen.“
Die Stadt Köln übernimmt dahingehend eine Vorreiterrolle, wie Ulrike Franzke, Vorstandsvorsitzende Hochwasserkompetenzzentrum Köln, Vorständin Stadtentwässerungsbetriebe Köln, aufzeigt: „Köln veröffentlicht Starkregengefahrenkarten. Dies hängt mit den vergangenen Hochwassern zusammen.“ Wichtig sei zudem Prävention, unabhängig davon, ob eine persönliche Betroffenheit besteht.
Dörte Aller ist die Präsidentin der Schweizer-Plattform Naturgefahren PLANAT. Für sie ist es das wichtigste, mit allen Menschen im Dialog zu bleiben, und einen individuellen Baukasten von Prävention bis hin zur Versicherung zur Verfügung zu stellen.
Stefan Schmidt MdB (Bündnis 90 / Die Grünen) ist Mitglied im Finanzausschuss und Ausschuss für Tourismus. Er findet: „Das Baurecht muss so angepasst werden, dass in Überschwemmungsgebieten nicht mehr gebaut werden darf.“ Zudem fordert Schmidt eine Entsiegelung von Flächen.
Dr. Christian Meyer-Seitz, Leiter der Abteilung Handels- und Wirtschaftsrecht im Bundesministerium der Justiz, stellte zur Diskussion wie eine Pflicht ausgestaltet sein soll. „Der Versicherungsnehmer soll überzeugt werden eine zusätzliche Versicherung gegen Elementar abzuschließen. Wir sprechen hier von dem Opt-Out-Modell.“
Branchenperspektive
Heinz Gressel, Mitglied des Vorstandes, LVM Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster a.G. hat folgenden Vorschlag: „Um die Versicherungsdichte zu erhöhen, würden wir mit einer verfassungsrechtlichen leichteren Lösung schnell vorankommen. Jeder soll sich versichern können.“ Zudem mahnt Gressel davor, dass eine Pflicht zur Folge haben könnte, dass Prävention in den Hintergrund treten könne.
Gesellschaftliche Perspektive
Alexander Wiech, Geschäftsführer Politik und Kommunikation, Haus & Grund steht einer Pflichtversicherung kritisch gegenüber, da mit rechtlichen Problemen zu rechnen sei. Für ihn ist es wichtig, dass sowohl die Prävention als auch das Bewusstsein der Bevölkerung gestärkt wird: „Die Menschen müssen über die konkreten Bedrohungen mehr informiert und aufklärt werden.“
Donnerstag, 13. Oktober 2022 von 12 bis 14 Uhr
Axica Skylobby, Pariser Platz 3, 10117 Berlin
12:00 Begrüßung |
Jörg Asmussen |
12:05 Panel I: Ist Prävention elementar? |
Dörte Aller |
PStS a.D. Uwe Feiler MdB (CDU) |
Ulrike Franzke |
Dr. Susanne Lottermoser |
Cornelia Weigand |
13:00 Panel II: Kann eine Pflichtversicherung eine langfristige Lösung sein? |
Heinz Gressel |
Dr. Christian Meyer-Seitz |
Stefan Schmidt MdB (Bündnis 90 / Die Grünen) |
Alexander Wiech |
Moderation: Katrin-Cécile Ziegler