Versicherer beziehen Sturzflutgefahr in ihre Risikomodelle ein
Sturzfluten sind in ihrer Zerstörungskraft verheerender als normale Hochwasser. Die Risikomodelle der Versicherer bilden das nur ungenau ab. Künftig werden Sturzfluten als separates Risiko erfasst – für rund ein Drittel der Adressen in Deutschland.
Die Versicherer wollen die Gefahr von Sturzfluten künftig in ihren Risikomodellen mit berücksichtigen. „Insbesondere die Juli-Flut 2021 hat gezeigt, dass die bisherigen Hochwassersimulationen Sturzfluten nicht genau genug abbilden. In engen Gebirgstälern, in denen viel Wasser von den Berghängen stürzt, können die Flusspegel deutlich höher anschwellen als bei der gleichen Regenmenge im offenen Gelände“, sagt Anja Käfer-Rohrbach, die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). „Damit ist auch die Fließgeschwindigkeit und Zerstörungskraft des Wassers um ein Vielfaches größer.“
Nachdem der GDV bereits 2023 für vier Test-Regionen – darunter das 2021 schwer getroffene Ahr-Tal – die Sturzflutgefahr erfolgreich modelliert hatte, soll dies nun großflächig geschehen. „Wir konzentrieren uns auf die relevanten Gebiete. Das sind die Mittel- und Hochgebirge“, sagt Käfer-Rohrbach. Die Modellierung umfasse etwa ein Drittel aller Adressen in Deutschland. Davon seien jedoch nicht alle besonders stark durch Sturzfluten gefährdet.
Klimawandel erhöht Risiko von Sturzfluten
Die neuen Informationen sollen anschließend in das Geoinformationssystem ZÜRS Geo einfließen. „Die Integration der Sturzflutdaten ist für 2025 geplant“, kündigt Käfer-Rohrbach an. Die Versicherer nutzen ZÜRS unter anderem für die Prämienkalkulation von Elementarschadenversicherungen. Mehr als 22 Millionen Adressen sind in das System eingespeist. Bislang bildet ZÜRS die Risiken Hochwasser und Starkregen ab – mit vier beziehungsweise drei verschiedenen Gefährdungsklassen.
Mit der Überarbeitung ihrer Risikomodelle bereiten sich die Versicherer auf häufigere Extremwetterereignisse vor: „Mit dem Klimawandel nimmt die Intensität von Starkregenereignissen zu“, sagt Käfer-Rohrbach. Mit der Erderwärmung sinken die Temperaturunterschiede zwischen Äquator und Arktis. Damit verändert sich der sogenannte Jetstream – ein Starkwindband in zehn Kilometer Höhe, das durch die Temperaturunterschiede angetrieben wird. Die Folge: Die Luftmassen bewegen sich künftig tendenziell langsamer. Tiefdruckgebiete ziehen nicht mehr so schnell ab, sondern verharren mitunter tagelang über einer Region. „Je mehr Wasser vom Himmel fällt, desto mehr sammelt sich in Bächen und Flüssen. Dabei kann es je nach Topografie zu gefährlichen Sturzfluten kommen“, sagt Käfer-Rohrbach.
Größerer Fokus auf Prävention und Hochwasservorsorge nötig
Angesichts der Gefährdung müsse das Thema Prävention stärker in den Vordergrund rücken, so die stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführerin. Deutschlandweit gibt es rund 300.000 Adressen in hochwassergefährdeten Gebieten. „Bund, Länder und Kommunen müssen Präventionsmaßnahmen vorantreiben und hinreichend finanzieren. Und wir brauchen ein Baustopp in Risikogebieten“, fordert Käfer-Rohrbach.