Zur Suche
Klima

Expertenrat für Klimafragen: Deutschland hinkt Zielen hinterher

Der Expertenrat für Klimafragen fordert in seinem neuen Klimagutachten von der nächsten Bundesregierung die Einrichtung eines Klimakabinetts. Denn Deutschland hinkt laut Klimagutachten in den Bereichen Verkehr, Gebäude und Waldschutz den Klimazielen hinterher.

Lesedauer
© Fahroni / gettyimages

Trotz positiver Entwicklungen in einigen Bereichen reichen die Anstrengungen nicht aus, um die Klimaziele in Deutschland für 2030 zu erreichen. Besonders der Verkehrs- und Gebäudesektor bleiben hinter ihren Zielen zurück. Das ist das Fazit des Zweijahresgutachtens (PDF), das der Expertenrat für Klimafragen im Februar in Berlin vorstellte.

Der Expertenrat für Klimafragen ist ein unabhängiges Gremium aus fünf sachverständigen Personen verschiedener Disziplinen, beauftragt von der Bundesregierung. Die ‚Klimaweisen‘ bewerten in ihrem Zweijahresgutachten die Entwicklung der Treibhausgasemissionen sowie die Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und soziale Verteilungswirkung bisheriger Klimaschutzmaßnahmen. Zudem gibt er Empfehlungen für die zukünftige Klimaschutzpolitik Deutschlands und formuliert Anforderungen an das Klimaschutzprogramm der nächsten Bundesregierung.

Fortschritte in der Energiewirtschaft, Defizite in Verkehr und Gebäuden

Der Expertenrat lobt die Entwicklung in der Energiewirtschaft, in der durch den Ausbau erneuerbarer Energien und verkürzte Genehmigungsverfahren signifikante CO2-Reduktionen erzielt wurden. Auch in der Industrie kam es zu Emissionsrückgängen, die jedoch teilweise auf konjunkturelle Schwäche und Produktionsrückgänge zurückzuführen sind. Im Gegensatz dazu bleiben die Emissionen im Verkehrssektor zu hoch und verfehlen die gesetzten Ziele deutlich. Um das 2030-Ziel zu erreichen, wäre im Vergleich zum Trend der vorangegangenen 10 Jahre ab 2024 eine fünfmal höhere jährliche Reduktionsrate erforderlich. Auch im Gebäudebereich sind die Emissionen nur leicht gesunken und liegen weiterhin über den angestrebten Werten.

Hoher Investitionsbedarf für Klimaneutralität

Zwischen 135 und 255 Milliarden Euro jährlich sind laut Expertenrat notwendig, um die Klimaziele zu erreichen. Dies entspricht 3,2 bis 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Besonders hoch ist der Finanzierungsbedarf für neue klimafreundliche Technologien und die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energieträger. Ein Teil dieser Investitionen besteht aus Ersatzinvestitionen, etwa beim Austausch von Gasheizungen durch Wärmepumpen.

„Die staatliche Finanzierungslücke wird in verschiedenen Studien auf einen mittleren bis hohen zweistelligen Milliardenbetrag pro Jahr geschätzt“, heißt es in dem Gutachten. Der Expertenrat hebt hervor, dass in den vergangenen Jahren vor allem einkommensstarke Haushalte von Subventionen profitieren, beispielsweise durch Kaufprämien für Elektroautos oder Gebäudeförderprogramme. Neue Ansätze wie das „social leasing“ für Elektroautos in Frankreich könnten Vorbildcharakter haben, um auch einkommensschwächere Gruppen stärker einzubeziehen.

Soziale und ökonomische Verteilungswirkungen im Fokus

Ein weiterer Fokus des Gutachtens liegt auf den sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Klimapolitik. Besonders einkommensschwache Haushalte sind von steigenden CO2-Preisen betroffen. Zusätzliche Unterstützungs- und Kompensationsmaßnahmen seien erforderlich, um soziale Ungleichheiten nicht weiter zu verschärfen. Der Expertenrat empfiehlt, die sozialen Auswirkungen bei der Ausgestaltung klimapolitischer Maßnahmen künftig stärker mit einzubeziehen und nennt einige Maßnahmenbeispiele zu deren Adressierung.

Forderung nach einem Klimakabinett und besserer Koordination

In Bezug auf den Gebäude- und Wärmesektor positioniert sich der Expertenrat deutlich. „Die Rückkehr zu fossilen Heizungen ist keine Option im Sinne der Klimaziele“, sagte der Ratsvorsitzende Henning. Gleichzeitig unterstützt er die Idee, energieintensive Vorprodukte wie Eisenschwamm oder Ammoniak aus Ländern mit günstigeren Bedingungen für grünen Wasserstoff zu importieren.

Zusätzlich rät der Expertenrat dazu, in der nächsten Bundesregierung ein Klimakabinett beispielsweise im Kanzleramt einzuführen. „Klimapolitik als Pfad neben die anderen Politikfelder zu stellen, das wird nicht funktionieren“, betont Henning. Auch die Deutsche Energie-Agentur (DENA)  befürwortete die Einführung eines Klimakabinetts, um die Steuerung und Koordinierung in der Bundesregierung zu verbessern. Henning regt zudem die Einführung eines systematischen Monitoring- und Evaluationssystems an, das die Wechselwirkungen mit anderen Politikbereichen analysiert und Zielkonflikte offenlegt.

EU-Nachhaltigkeitsziele könnten verfehlt werden

Auf europäischer Ebene warnte die European Environmental Agency (EEA) in einem Bericht, dass die EU viele ihrer 2030-Nachhaltigkeitsziele verfehlen könnte. Dem Bericht nach ist die EU nur bei 8 von 28 Zielen des Green Deals auf einem guten Weg. Schwierig ist die Lage bei der Reduzierung des Ressourcenverbrauchs, der Kreislaufwirtschaft, der Kohlenstoffspeicherung und dem Schutz der Biodiversität. Ein Lichtblick ist, dass die EU bei der Erreichung des wichtigen 2030er-Klimaziels (Reduktion bis 2030 um 55% im Vergleich zu 1990) weitestgehend auf Kurs ist.

Inhaltstyp
Schlagworte