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Klima

„Prävention und Klimafolgenanpassung müssen unsere Leitbilder werden“

Die UN-Klimakonferenz in Dubai hat begonnen. Wie Versicherer dem Klimawandel und seinen Folgen begegnen, das erklärt die stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführerin Anja Käfer-Rohrbach im Interview.

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© Getty Images/iStockphoto

Frau Käfer-Rohrbach, Klimaexperten rechnen damit, dass die 1,5-Grad-Grenze überschritten und der Klimawandel in großen Teilen ungebremst erfolgen wird. Wie gehen die Versicherer mit diesen düsteren Aussichten um? 
Anja Käfer-Rohrbach: Die globalen Unwetterkatastrophen waren in diesem Sommer für viele Menschen sehr real, sehr nah. Hitzerekorde und Waldbrände, Starkregen und Überschwemmungen zogen sich über die Kontinente. Nicht nur Klimawissenschaftler sind ernsthaft besorgt. Für uns bedeuten diese Entwicklungen ganz klar: Wir dürfen nicht nachlassen, den Klimaschutz voranzutreiben und gleichzeitig die Folgen des Klimawandels abzumildern. Beides ist nicht allein Aufgabe der Versicherer – das ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. 

Und wie tragen die Versicherer zur Bewältigung der Klimafolgen bei?
Käfer-Rohrbach: Versicherer lenken ihre Kapitalanlagen in nachhaltige Bahnen, treiben Prävention und Klimafolgenanpassung voran und tragen Sorge, dass die eigene Geschäftstätigkeit nicht klimaschädlich ist. Vor diesem Hintergrund erfassen und analysieren wir zum Beispiel Daten zu Naturgefahrenschäden in Deutschland. Diese Analysen bilden die Grundlage für unsere Schadenmodellierungen. Hieraus leitet die Versicherungswirtschaft nicht nur Kalkulationsgrundlagen, sondern auch Forderungen nach Anpassungsmaßnahmen an Politik und Gesellschaft ab. Aktuell unterstützen wir dabei unter anderem das Umweltbundesamt beim Aufbau eines Klima-Schadenskatasters für Deutschland. 

Risikoanalyse ist das eine, aber wie steht es um den Versicherungsschutz? Drohen uns amerikanische Verhältnisse? 
Käfer-Rohrbach: Der Versicherungsschutz in Deutschland hat ein klares Problem bei der Nachfrage: Viele Immobilienbesitzende sind sich der Naturgefahren, die ihre Häuser bedrohen, nicht bewusst. Sie verzichten daher auf diese existenzielle Absicherung, obwohl ausreichend Versicherungsschutz angeboten wird. Wir warnen allerdings davor, dass dieser Versicherungsschutz infolge des Klimawandels und bei fehlender Klimafolgenanpassung perspektivisch teurer werden wird. Auch das Angebot könnte sich – wie in den USA – verknappen, wenn die Klimafolgen immer weniger beherrschbar werden. Diese Entwicklung beträfe nicht nur die Elementarschadenversicherung, mit der Starkregen und Hochwasser versichert sind, sondern die gesamte Wohngebäudeversicherung, die für Sturm- und Hagelschäden aufkommt. 

Anja Käfer-Rohrbach (© Christian Kruppa / GDV)
Wir gehen davon aus, dass sich die Schäden infolge des Klimawandels bis 2050 mindestens verdoppeln werden.
Anja Käfer-Rohrbach, Stellv. Hauptgeschäftsführerin, Kompetenzzentrum Risikoschutz für Gesellschaft und Wirtschaft

Können Sie das genauer erklären? 
Käfer-Rohrbach: Wir gehen davon aus, dass sich die Schäden infolge des Klimawandels bis 2050 mindestens verdoppeln werden. Zu dem Ergebnis kommen verschiedene aktuelle Studien, unter anderem des französischen Versicherungsverbandes, der Swiss Re und der London School of Economics. Diese steigenden Schäden lösen aber noch weitere Effekte aus, die sich unmittelbar in den Verbraucherprämien niederschlagen werden: Höhere Rückversicherungskosten, steigende Versicherungswerte, schrumpfende Zahl von Anbietern. Denn jeder Versicherer wird prüfen müssen, ob er die steigenden Extremwetterschäden langfristig noch in Deckung nehmen kann, auch aus aufsichtsrechtlichen Gründen. Im Ergebnis könnte es ohne Maßnahmen der Klimafolgenanpassung, ohne Prävention zu einer Verdopplung der Wohngebäudeversicherungsprämie allein durch den Klimawandel kommen. Und bei dieser Schätzung ist die Inflation noch nicht berücksichtigt.

Was muss getan werden, um diese Entwicklung aufzuhalten?
Käfer-Rohrbach: Prävention und Klimafolgenanpassung sind der Dreh- und Angelpunkt, damit Schäden durch Naturkatastrophen und damit Versicherungsprämien finanziell nicht aus dem Ruder laufen. Daher haben wir ein Gesamtkonzept erarbeitet, das drei Kernelemente umfasst: Erstens verbindliche Schritte zur Klimafolgenanpassung, zweitens privater Versicherungsschutz für Hauseigentümer und drittens eine staatliche Vorsorge für den Fall eines katastrophalen Großereignisses.

Haben Sie Beispiele für die geforderten verbindlichen Schritte zur Klimafolgenanpassung?
Käfer-Rohrbach: Es wird vielerorts geplant und gebaut, als ob es den Klimawandel und seine Folgen nicht gäbe. Wir erwarten vom Gesetzgeber und von den Verwaltungen eine Verankerung der Anpassung an den Klimawandel im Bauordnungsrecht, weniger Flächenversiegelungen und Bauverbote in Überschwemmungsgebieten. Trotz der schlimmen Erfahrungen mit großflächigen Fluten 2002, 2013 und 2021 oder lokalen Hochwassern wie 2014 in Münster und 2016 in Simbach und Braunsbach gibt es noch immer keine ernsthaften Konsequenzen in Flächennutzung und Bauplanung.

Warum zieht die Politik keine ernsthaften Konsequenzen, wie Sie sagen?
Käfer-Rohrbach: Wir sehen uns einem hochkomplexen föderalen System mit sehr verteilten Verantwortlichkeiten gegenüber. Es sind sehr viele staatliche Akteure aufgefordert, auf die Herausforderungen des Klimawandels zu reagieren. Hier müssen die staatlichen Strukturen einfacher und klarer werden. Darüber hinaus sollten wir von ausufernden Detailregelungen Abstand nehmen. Hiervon haben wir bereits zu viele. Vielmehr benötigen wir im Bauplanungs- und Bauordnungsrecht zunächst einmal klare Schutzziele an die sich Planer, Architekten und Errichter halten müssen. Heute steht der Personenschutz im Mittelpunkt, morgen müssen Prävention und Klimafolgenanpassung gleichberechtigt danebenstehen. Nichts zu tun ist keine Option. Noch können wir als Gesellschaft Einfluss auf die Folgen des Klimawandels nehmen. Wir müssen jeden Tag dafür nutzen.

Das Interview stammt aus dem aktuellen Naturgefahrenreport des GDV. Die vollständige Broschüre können Sie sich hier herunterladen.