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Klimafolgenanpassung

„Wir befinden uns immer noch auf dem falschen Weg“

Die Pariser Klimaziele geraten außer Reichweite, warnt Klimaforscher Ottmar Edenhofer. Die CO2-Emissionen müssten rasch runter. Zugleich brauche es in der Klimapolitik globale Kooperationen. Wie diese aussehen könnten, erklärt er im Interview.

Karsten Röbisch (© Christian Kruppa / GDV)
Karsten Röbisch
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© GDV / Christian Kruppa

Ottmar Edenhofer ist Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Er berät zudem die EU-Kommission in Sachen Klimaschutz.

Herr Edenhofer, auf dem Pariser Klimagipfel 2015 hatten die Länder verabredet, den globalen Temperaturanstieg gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen, möglichst sogar auf 1,5 Grad. Sind wir noch auf dem richtigen Pfad?
Ottmar Edenhofer:
Ob wir noch auf dem richtigen Pfad sind? Ich würde sagen, wir waren noch nie auf dem richtigen Pfad. Die globalen Emissionen von Kohlendioxid (CO2) steigen und steigen. Wir werden auch dieses Jahr wahrscheinlich einen Höchststand haben, teilweise hervorgerufen durch Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine. Dadurch sind die Preise für Gas schneller gestiegen als für Kohle. Das führt zu einer Renaissance der Kohle und mehr Emissionen. Wir befinden uns also immer noch auf dem falschen Weg.

Was muss passieren?
Edenhofer: Wenn wir im Bereich der Pariser Ziele bleiben wollen, müssen wir sehr bald den Scheitelpunkt bei den jährlichen Emissionen erreichen und sie dann um jährlich sieben bis acht Prozent absenken, um bis zur Mitte des Jahrhunderts bei netto null zu sein. Nach 2050 bräuchten wir auch negative Emissionen, das heißt wir müssen der Atmosphäre mehr CO2 entziehen als wir ausstoßen. Denn Restemissionen wird es auch dann noch geben. 

Gibt es denn schon die Technologie für die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre? Oder ist da noch eine Menge Wunschdenken mit im Spiel?
Edenhofer:
Ich würde es anders ausdrücken: Da ist noch sehr viel Forschung nötig. Man muss in Pilotprojekte investieren und die Technologie hochfahren. Wir haben in Island eine einzige Anlage, wir bräuchten aber jetzt schon vielleicht 50 weltweit. Deshalb muss man jetzt gewaltig investieren.

„Die EU hat mit ihrem Green Deal global das mit Abstand ehrgeizigste Programm für die Klimapolitik vorgelegt.“

Europa hat mit dem Green Deal bereits ein Klimaschutz-Programm beschlossen und will bis 2050 klimaneutral sein. Entspricht das den Pariser Klimaschutzzielen?
Edenhofer: Die EU hat mit ihrem Green Deal global das mit Abstand ehrgeizigste Programm für die Klimapolitik vorgelegt. Das ist auf jeden Fall konsistent mit den Pariser Zielen. Als Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats, der die EU-Kommission berät, haben wir ja selbst Zwischenziele vorschlagen: 55 Prozent Einsparungen bis 2030 und 90 bis 95 Prozent bis 2040, jeweils relativ zu 1990.

Nun sind Ziele das eine, das andere ist, ob man sie erreicht. Wie beurteilen Sie die Chancen? 
Edenhofer: Sie haben völlig recht. Ziele zu formulieren ist das eine, sie glaubwürdig umzusetzen das andere. Und daran hakt natürlich die Klimapolitik gewaltig. Ein effektives Steuerungsinstrument ist der CO2-Zertifikatehandel, den haben wir in Europa bislang aber nur für Industrie und Stromwirtschaft. Der Emissionshandel für Gebäude und Verkehr kommt immerhin 2027, für die Landnutzung haben wir im Grunde noch gar nichts. Das ist ein Flickenteppich. Das wird wahrscheinlich alles nicht reichen, um 55 Prozent bis 2030 zu erreichen. Aber ich denke, dass ist der typisch europäische Stil auf dem Weg dorthin. 

Mit der Taxonomie baut Europa noch ein Klassifizierungssystem auf, in dem detailliert definiert wird, was nachhaltig ist und was nicht. Damit sollen auch Kapitalgeber indirekt Druck auf die gewerbliche Wirtschaft ausüben können. Investoren empfinden das System teilweise als bürokratisch. Braucht es die Taxonomie bei einem funktionierenden CO2-Zertifikatehandel überhaupt?
Edenhofer: Hätten wir einen CO2-Preis über alle Sektoren hinweg, wäre das sicherlich nicht notwendig. In der Realität sind aber nicht alle Sektoren erfasst. Deshalb versucht man für die Finanzwirtschaft Anreize zu schaffen, in die richtige Richtung zu gehen. Ich selbst bin kein Fan von bürokratischen Regelungen. Aber ich sehe auch, dass ein hoher CO2-Preis politisch oft verweigert wird. Und dann muss man sich nicht wundern, wenn an vielen Stellen bürokratische Regulierungen auftreten. Es ist ja ein Grundproblem, dass wir zwar viele Regulierungen haben, die aber oft sehr weich sind und nicht richtig durchgesetzt werden. Besser wäre weniger, aber härtere Regulierung.

Glauben Sie, die Politik hat den Willen dazu? Nach dem Streit um das EU-Renaturierungsgesetz und dem letztlich nur knappen Ja im EU-Parlament drängt sich der Eindruck auf, dass der Elan in Sachen Klimaschutz eher erlahmt.
Edenhofer: Die Stimmung in Europa ist im Augenblick sehr verhalten. Viele sagen, jetzt ist erst mal genug gemacht: Die Wirtschaft ist unter Druck, die Jobs sind unter Druck. Wir können uns das nicht mehr erlauben. 

Sind die Sorgen nicht berechtigt? Einige Unternehmen drohen angesichts steigender Strompreise schon damit, die Produktion zu verlagern.
Edenhofer: Meines Erachtens wird völlig unterschätzt, dass bei hohen CO2-Preisen auch in Innovationen investiert wird, in emissionsfreie Alternativen. Und dass diese Alternativen auch Wertschöpfung darstellen. Aber ja, es ist ein schwieriger, schmaler Pfad. Aber wir werden diesen beschreiten müssen – wahrscheinlich unter erheblichen Schwierigkeiten. 

„Wir werden nur Erfolg haben, wenn uns die globale Kooperation gelingt.“

Ein Argument der Skeptiker ist auch, dass wir uns in Europa noch so sehr abstrampeln können, dass das alles aber nichts bringt, wenn der Rest der Welt nicht mitzieht. 
Edenhofer: Europa ist nicht mehr allein in der Klimapolitik. Die USA stellen zum Beispiel mit dem Inflation Reduction Act gewaltige Summen für neue Technologien bereit. Sie haben zwar noch keinen CO2-Preis, aber ich bin überzeugt, dass sie ihn irgendwann einführen werden. Vor diesem Hintergrund gibt es auch für Europa die Chance, mit den USA einen Klima-Klub zu formen, dem sich nach und nach weitere Staaten anschließen. Wir brauchen Kooperationen mit den USA, mit China, Indien, Brasilien und langfristig auch mit Russland. Zusammen mit Japan hätten wir dann schon fast 70 Prozent der weltweiten Emissionen erfasst. Daran müssen wir arbeiten, auch wenn es durch die geopolitische Situation nicht einfacher geworden ist. Aber wir werden nur Erfolg haben, wenn uns die globale Kooperation gelingt.

Wie könnte die aussehen? Über ein einheitliches Zertifikate-Handelssystem?
Edenhofer: Ich denke, das wird nicht funktionieren. Man könnte sich im Klima-Klub aber über CO2-Mindestpreise abstimmen, so wie wir bei der Unternehmensbesteuerung Mindeststeuersätze haben. Das wäre sinnvoll.

Ärmere Länder, die überdies kaum zur Erderwärmung beigetragen haben, sollen nun in gleicher Weise zum Klimaschutz beitragen wie die Hauptverursacher des Klimawandels. Wie ließe sich eine faire Lastenverteilung erreichen?
Edenhofer: Indem man unterschiedliche CO2-Preise zulässt. Die Industriestaaten würden für die Emissionen mehr zahlen als die Schwellen- und Entwicklungsländer, denen man dafür Transferleistungen zugesteht. Länder mit geringen oder gar keinen CO2-Preisen erhalten Geld aus einem Fonds für die Transformation, etwa zur Stilllegung ihrer Kohlekraftwerke. So ein moderater Länderfinanzausgleich wäre aus meiner Sicht der richtige Weg. Das würde die internationale Kooperation dramatisch erhöhen. 

Die nächste Gelegenheit, solche Ideen zu besprechen, bietet sich auf der Weltklimakonferenz in Dubai Ende des Jahres. Welche Erwartungen haben Sie an den Gipfel?
Edenhofer: Mit dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate ist ein Vertreter der Gas- und Öl-Exporteure Vorsitzender der Konferenz. Das ist schon mal bemerkenswert. Damit wird der Fokus auf das Problem der fossilen Energieträger gerichtet. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass wir einen Vorschlag zum Kohleausstieg sehen werden – und auch zu dessen Finanzierung. Und dass es auch Vorschläge geben wird, wie eben CO2-Entnahme-Technologien finanziert werden können oder wie der Preis für Öl und Gas steigt, damit mehr davon im Boden bleibt. Denn gemessen an der begrenzten Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre gibt es keine Knappheit an fossilen Energieträgern. Wir haben viel zu viel davon.