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© Samuele Errico Piccarini / Unsplash

Dossier: Automatisiertes und autonomes Fahren

Moderne Fahrzeuge unterstützen ihre Fahrer/-innen durch immer mehr und immer ausgefeiltere Assistenzsysteme. Perspektivisch können die Systeme die Fahrer/-innen sogar ersetzen – zunächst nur in bestimmten Situationen, später sogar für die gesamte Fahrt. Die Versicherungswirtschaft begleitet diese Entwicklung konstruktiv mit dem Ziel, für das automatisierte und autonome Fahren maximale Sicherheit und eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen.

16.02.2024
Technische Perspektive

Mit dem hochautomatisierten Fahren gelingt ein weiterer Schritt auf dem Weg zum autonomen Fahren Link kopieren

Mercedes-Benz hat als erster Autohersteller vom Kraftfahrt-Bundesamt die Zulassung für ein hochautomatisiertes Fahrsystem erhalten und bietet das System seit 2022 in ausgewählten Fahrzeugen als Zusatzausstattung an; BMW folgt im Frühjahr 2024, andere Hersteller dürften bald nachziehen. Mit den ersten so genannten Level-3-Systemen gelingt ein weiterer Schritt auf dem Weg zum autonomen Fahren, das sich von Level 0 (allein der Fahrer fährt) in mehreren Stufen bis zum Level 5, also zum autonomen bzw. selbstfahrenden Fahrzeug entwickelt. Mit einem Level-3-System können sich die Fahrer/-innen des automatisierten Fahrzeugs erstmals vom Verkehr abwenden und das Auto dem System anvertrauen. Sie müssen aber im Level 3 nach wie vor in der Lage sein, die Steuerung des Fahrzeugs und damit die Verantwortung für das Fahren wieder zu übernehmen. Die Systeme von Mercedes und BMW sind dabei bislang auf Autobahnen und eine Geschwindigkeit von maximal 60 km/h begrenzt – auf allen anderen Strecken und bei höheren Geschwindigkeiten muss der Mensch nach wie vor selbst fahren.

Am Versicherungsschutz ändert der Grad der Automatisierung nichts: Entschädigt werden etwaige Unfallopfer von der Kfz-Versicherung des Halters. Fahrer/-innen sollten sich erst dann auf etwas anderes als den Verkehr konzentrieren dürfen, wenn ein System so ausgereift ist, dass

  • Fahrer/-innen nur noch selten eingreifen müssen;
  • sie in solchen Fällen genug Zeit für eine Reaktion haben;
  • das Kraftfahrzeug auch ohne Hilfe des/der Fahrer/-in sicher zum Stehen kommt.

Assistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen sorgen für weniger Unfälle und mehr Sicherheit im Straßenverkehr. Dennoch werden die Entschädigungsleistungen der Kfz-Versicherer bis 2040 kaum sinken.

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Bis Fahrzeuge tatsächlich autonom fahren können, sind noch einige Entwicklungsschritte zu gehen. In der ersten Stufe – dem assistierten Fahren – übernehmen Autos lediglich eine Funktion. Vom automatisierten Fahren spricht man erst in den Leveln 2 bis 4: Hier übernimmt das Fahrzeug vom teilautomatisierten Fahren (Level 2) über das hochautomatisierte Fahren (Level 3) bis zum vollautomatisierten Fahren (Level 4) immer mehr Aufgaben, während Fahrer/-innen zunächst nicht nur von den Fahraufgaben entbunden wird, sondern auch von seiner Verpflichtung, das Fahrzeug zu überwachen. Erst in der fünften und letzten Stufe der Entwicklung fahren Autos dann wirklich autonom – und können auf einen menschlichen Fahrer – oder sogar überhaupt auf Menschen an Bord – komplett verzichten.

Politische Perspektive

Automatisierte und autonome Mobilität braucht gesellschaftliche Akzeptanz Link kopieren

Eine zukunftsgerichtete Mobilitätspolitik beschleunigt die technologische Entwicklung, beflügelt den Wettbewerb, maximiert die Sicherheit und den Nutzen für die Menschen und fördert so die gesellschaftliche Akzeptanz des automatisierten und autonomen Fahrens.

Der Deutsche Bundestag hat mit der Verabschiedung der Gesetze zum automatisierten Fahren (2017) und zum autonomen Fahren (2021) die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Mobilität der Zukunft geschaffen.

Beide Gesetze legen als wesentliche Weichenstellung fest, dass das bestehende und bewährte Haftungssystem auch für das automatisierte und autonome Fahren beibehalten wird. Zudem ermöglicht das neue Gesetz zum autonomen Fahren im Falle eines Unfalls den Betroffenen Zugang zu den Betriebsdaten des autonomen Fahrzeugs.

Die laut Koalitionsvertrag geplante inhaltliche Schärfung des Gesetzes zum autonomen Fahren sollte diese beiden Grundsatzentscheidungen nicht in Frage stellen.

Verbraucher-Perspektive

Automatisiertes und autonomes Fahren betrifft alle Verkehrsteilnehmer Link kopieren

Das automatisierte und autonome Fahren betrifft nicht nur die Käufer/-innen entsprechender Autos, sondern den ganzen öffentlichen Straßenverkehr und damit die Gesellschaft insgesamt. Die Verkehrs- und Rechtssicherheit von Fußgänger/-innen, Radfahrer/-innen und anderen Autofahrer/-innen ist für die Akzeptanz des automatisierten Fahrens und selbstfahrender Autos unabdingbar. Neben einer ausreichend erprobten Technik leistet hier die für alle Halter/-innen vorgeschriebene Kfz-Haftpflichtversicherung einen wesentlichen Beitrag: Diese Versicherung schützt Verkehrsopfer umfassend – und zwar unabhängig davon, ob ein Unfall auf einen Fahrfehler, defekte Technik, einen Hacker-Angriff, nicht funktionierende Autopiloten oder auf andere Ursachen zurückzuführen ist. Die Kfz-Versicherung ist technikneutral und damit auch für die Mobilität der Zukunft ideal geeignet. Etwaige Unfallopfer müssen daher keine Sorgen haben, dass die Verantwortung für ihre Entschädigung hin- und hergeschoben wird.

„Das geltende Recht hat eine einfache und klare Antwort auf die Frage, wer Unfallopfer entschädigt: Das macht die Kfz-Haftpflichtversicherung des Halters und niemand sonst. Das sind unser Anspruch und unsere Verpflichtung. Darauf kann sich jede:r verlassen, der in Deutschland in einen Autounfall verwickelt ist. So gewähren wir ein Höchstmaß an Opferschutz und tragen wesentlich zur gesellschaftlichen Akzeptanz automatisierter Autos bei.“
Anja Käfer-Rohrbach, Stellv. GDV-Hauptgeschäftsführerin

Autopilot-Unfall - Wer muss zahlen?

Branchen-Perspektive

Anbieter automatisierter Autos in Verantwortung nehmen Link kopieren

Das bewährte Haftungssystem der Kfz-Haftpflichtversicherung schützt etwaige Verkehrsopfer auch unter den Bedingungen der automobilen Zukunft umfassend – sie ist aber kein Freibrief für Automobilhersteller oder Zulieferer: Wer auch immer mangelhafte Systeme auf den Markt bringt, muss sich dafür im Rahmen geltender Gesetze verantworten. Die Kfz-Versicherer würden entsprechende Produkthaftungsansprüche prüfen und durchsetzen.

Daher muss beim automatisierten Fahren jederzeit nachvollziehbar sein, ob der Mensch oder der Computer in einer bestimmten Situation die Fahraufgabe innehatte, wo sich das Auto wann befand, wann die Steuerung gewechselt bzw. der Mensch zur Übernahme aufgefordert wurde oder ob eine technische Störung aufgetreten ist.

Wissenschaftliche Perspektive

Automatisierte Fahrzeuge dürfen den Menschen nicht überfordern Link kopieren

Die Zeitspanne der Übergabe von der Maschine zum Menschen darf nicht zu knapp bemessen sein: Untersuchungen der Unfallforschung der Versicherer (UDV) zeigen, dass abgelenkte Fahrerinnen und Fahrer bis zu 10 Sekunden für die Übernahme und bis zu 15 Sekunden für die volle Kontrolle über eine Verkehrssituation brauchen. Die Versicherer fordern daher, dass Fahrer sich erst auf etwas anderes als den Verkehr konzentrieren dürfen, wenn ein System so ausgereift ist, dass

  • der Fahrer/die Fahrerin unterwegs nur noch selten eingreifen muss;
  • er/sie in solchen Fällen genug Zeit für eine Reaktion hat;
  • das Auto auch ohne Hilfe des Menschen sicher zum Stehen kommt.
Daten-Perspektive

Die neuen Systeme machen Autofahren sicherer, verbreiten sich aber nur langsam und machen Reparaturen teurer Link kopieren

Auf dem Weg zum autonomen Fahren verfügen immer mehr Autos über Assistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen. Diese sorgen für weniger Unfälle und mehr Sicherheit im Straßenverkehr. Dennoch werden die Entschädigungsleistungen der Kfz-Versicherer durch assistiertes und automatisiertes Fahren von 2019 bis 2040 nur um rund zwölf Prozent sinken, wie eine aktuelle GDV-Studie zeigt. Im Bezugsjahr 2019 hatten die Versicherer Schäden in Höhe von rund 25 Milliarden Euro reguliert.

Die vergleichsweise geringen Auswirkungen der Fahrassistenzsysteme führt die Studie auf die folgenden Ursachen zurück:

1. Assistenzsysteme haben auf viele Schäden keinen Einfluss.

Ein Autobahnpilot hilft gegen Autodiebe ebenso wenig wie eine Einparkhilfe vor Steinschlag, Hagel oder Marderbissen schützt. Auch der beste Notbremsassistent ändert nichts an den physikalischen Gesetzen für den Bremsweg eines Autos.

2. Die neue Technik verhindert in der Praxis weniger Schäden als in der Theorie.

In Baustellenbereichen oder bei widriger Witterung können Assistenzsysteme an Grenzen stoßen, zudem nutzen die Fahrer die Systeme nicht durchgehend. Im realen Straßenverkehr werden daher weniger Schäden verhindert, als es unter idealen Bedingungen möglich wäre.

3. Die Systeme verbreiten sich langsam.

Neue Assistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen werden nur für Neuwagen angeboten und auch hier zunächst für wenige. Erst viele Jahre nach der Markteinführung ist die neue Technik in nahezu allen Fahrzeugen vorhanden.

4. Zusätzliche Technik macht Reparaturen teurer.

Der Einbau weiterer Sensoren und neuer Technik erhöht im Schadenfall die Reparaturkosten. Ein Assistenzsystem macht etwa den Austausch einer Windschutzscheibe um rund 25 Prozent teurer.

5. Der Fahrzeugbestand wächst weiter.

Bis 2040 wird die Zahl der Fahrzeuge weiter wachsen. Auf Basis von Bestandsprognosen der Prognos AG gehen die Studienautoren davon aus, dass der Pkw-Bestand bis 2040 um rund drei Prozent steigt. Dann wären in Deutschland rund 46,5 Millionen Pkw versichert.

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