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Regulierung

Kurz vor knapp – EU-Parlament beschließt zahlreiche Gesetzesakte

CSDDD, Net Zero Industry Act und Co.: In der letzten Sitzungswoche des Europäischen Parlaments sind noch zahlreiche Gesetzesakte des Green Deal vom Plenum verabschiedet worden. Eine Wahlperiode im Zeichen der nachhaltigen Transformation geht zu Ende und wird den europäischen Wirtschaftsraum verändern. Ein Überblick über einige zentrale Rechtsakte.

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© Unsplash

Das Europäische Parlament (EP) hat den im März ausgehandelten Kompromiss des Ministerrats zum lange diskutierten europäischen Lieferkettengesetz (CSDDD) angenommen. Der Rat wird vermutlich im Mai den endgültigen Text bestätigen. Anschließend könnte die Richtlinie noch im Juni im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden und in Kraft treten. Auch die neuen Standards für ESG-Ratings hat das EP verabschiedet. 

Von den weiteren behandelten Rechtsakten sind Versicherer eher indirekt betroffen, denn sie könnten für ihre Investitionsentscheidungen und eine nachhaltigere Schadensbearbeitung relevant sein. 

Eine europäische Industriepolitik für klimafreundliche Technologien 

Mit dem Net Zero Industry Act will sich die EU bei den Produktionsbedingungen für zentrale Net-Zero-Technologien auf Augenhöhe mit Asien und Amerika bringen. Die staatlich gestützte Überproduktion in China und Subventionen in Amerika rütteln die Wettbewerbsbedingungen durcheinander. 

Für die EU ist dies die offizielle Rückkehr der Industriepolitik. Bis 2030 sollen 40 Prozent der in der EU benötigten Produktion für z. B. Photovoltaik, Windkraft, Speichertechnologien oder Wärmepumpen erreicht werden. Als weiteres Ziel werden 15 Prozent des Weltmarktes angestrebt. Im Gesetzgebungsprozess sind auch Technologien für die klimafreundliche Erzeugung von Zement oder Stahl hinzugekommen sowie für Kernfusion oder CO2-Abscheidung, die in einigen Ländern kritisch gesehen werden. 

Schnelligkeit, Staatsbeihilfen und EU-Fördertöpfe sollen es richten

Zentrale Maßnahmen des Acts sind einheitliche und verkürzte Genehmigungsfristen. Die Mitgliedstaaten können sogenannte „Net Zero Valleys“ ausweisen, um mehrere Unternehmen gleichzeitig und beschleunigt anzusiedeln. Einen Anschub sollen grüne Produkte durch Nachhaltigkeitskriterien in öffentlichen Ausschreibungen erhalten. Bis Ende 2025 bleiben die Lockerungen der staatlichen Beihilferegeln für die nachhaltige Transformation bestehen. Zusätzlich können zahlreiche EU-Fördertöpfe angezapft werden. Die ursprüngliche Idee einer milliardenschweren koordinierten Finanzförderung durch einen neuen „Sovereignty-Fonds“ hat sich nicht durchgesetzt. Die Maßnahmen sollen finanzielle Risiken von Net-Zero-Projekten nehmen und sie sichtbarer machen, sodass sie interessanter für private Investitionen werden. 

Ministerrat und EP haben lange um den Net Zero Industry Act gerungen. Nach dem finalen Votum des EP steht noch die formale Annahme durch den Ministerrat aus. Der Erfolg der Verordnung, die direkt in allen Mitgliedstaaten gültig ist, wird letztendlich von den Kapazitäten der Mitgliedstaaten abhängen, die administrativen Prozesse zu beschleunigen sowie hinreichend Kompetenzen in der öffentlichen Verwaltung und bei Fachkräften aufzubauen. Kritiker befürchten nach dem Scheitern des europäischen Förder-Fonds einen innereuropäischen Subventionswettlauf, den finanzkräftigere Länder mit nationalen Förderprogrammen dominieren könnten und die EU ökonomisch auseinanderdriften ließe.

Von der Wegwerf- zur Kreislaufwirtschaft 

Mit neuen Anforderungen will die EU die Wegwerf- zur Kreislaufwirtschaft umbauen. Der Binnenmarkt und die Mitgliedstaaten sollen es richten: 

Bestimmte Produkte dürfen nach den Vorgaben der Ökodesign-Richtlinie nur auf dem Binnenmarkt angeboten werden, wenn Nachhaltigkeitsaspekte schon in ihre Planung eingeflossen sind. Dazu gehört, dass sie z. B. länger halten, reparierbar und wiederverwendbar sind und weniger Schadstoffe enthalten. Die davon betroffene Produktpalette reicht von Stahl und Aluminium bis zu Textilien, Möbeln, Matratzen und Telekommunikation. Die Kommission wird in den nächsten Jahren die Ökodesign-Anforderungen für einzelne Produktgruppen spezifizieren. Verbraucher/-innen werden für diese Produkte auch bessere Informationen zur Pflege und Wartung erhalten. Für einige Produkte sollen digitale Produktpässe eingeführt werden. 

Konsumgüter wie Waschmaschinen, Fernseher oder Tablets sollen durch das Recht auf Reparatur günstiger repariert werden können, gerade auch im Vergleich zum Neukauf der Produkte. Das Recht gilt über die Garantiezeit der Produkte hinaus. Nach einer Reparatur verlängert sich die Hersteller-Haftung um zwölf Monate. Die neue Richtlinie verbietet Vertragskonditionen, Hard- oder Software, die die Reparatur unterbinden. Unabhängige Reparaturbetriebe sollen Zugang zu benötigten Spezialwerkzeugen oder Ersatzteilen bekommen. Auch die Reparatur mit Gebrauchtteilen oder aus dem 3D-Drucker wird erleichtert. 

Autos fallen nicht unter die Anwendungsbereiche der Richtlinien. Im Juli 2023 hatte die EU-Kommission einen separaten Verordnungsentwurf vorgelegt, damit Hersteller die Fahrzeuge kreislauforientierter gestalten und um die Entsorgung von Altfahrzeugen neu zu regeln. Die Diskussionen der europäischen Co-Gesetzgeber sind jedoch erst gestartet.