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Wirtschaft

ifo-Chef Fuest: Schulden allein helfen Deutschland wirtschaftlich nicht auf die Beine

Deutschland will massiv in Infrastruktur und Rüstung investieren. Das garantiert aber noch nicht den Aufschwung, sagt ifo-Chef Clemens Fuest. Im Interview mahnt er Reformen an und kritisiert geplante Leistungsausweitungen bei der Rente.

Karsten Röbisch (© Christian Kruppa / GDV)
Karsten Röbisch
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© Christian Kruppa / GDV

Herr Fuest, Bundestag und Bundesrat haben den Weg freigemacht für die milliardenschweren Schuldenpakete für Verteidigung und Infrastruktur. Sie waren einer der Ökonomen, die zumindest für höhere Rüstungsausgaben plädiert haben. Wie zufrieden sind Sie nun? 
Clemens Fuest: Ich bin sehr zufrieden darüber, dass nun kurzfristig erhebliche finanzielle Mittel für die Verbesserung unserer Wehrhaftigkeit zur Verfügung stehen. Das war angesichts der Mehrheitsverhältnisse im künftigen Bundestag ein sehr wichtiger Schritt, auch wenn mir ein begrenztes Sondervermögen lieber gewesen wäre als die Veränderung der Schuldenbremse.

Helfen die Schuldenpakete Deutschland wirtschaftlich wieder auf die Beine?
Fuest: Die Schuldenpakete allein werden das nicht leisten können, aber richtig eingesetzt können sie einen Beitrag leisten.

Was braucht es noch?
Fuest: Es ist entscheidend, dass eine überzeugende Strategie dafür entwickelt wird, wie die Mittel eingesetzt werden. Außerdem sind Reformen erforderlich, welche die gesamtwirtschaftlichen Angebotskräfte stärken. Dazu gehört unter anderem eine Ausdehnung des Arbeitsangebotes, aber auch Maßnahmen wie Deregulierung, Bürokratieabbau und die Umschichtung öffentlicher Ausgaben in Richtung Verteidigung, denn Rüstung sollte man nicht dauerhaft mit Schulden finanzieren.

Könnte der Reformeifer ob des vielen Geldes nicht eher abnehmen? Es gibt Befürchtungen, der Bund könnte laufende Ausgaben in die Sondervermögen verschieben, um im laufenden Haushalt mehr Spielraum zu schaffen. Oder sehen Sie die Gefahr durch die vereinbarte Zusätzlichkeit der Investitionen gebannt?
Fuest: Dass Zusätzlichkeit vereinbart wurde, war ein wichtiger Schritt. Trotzdem wird es wohl leider teilweise zu einer Zweckentfremdung der Mittel kommen. Das geschieht dadurch, dass die Schwelle für die Kreditfinanzierung von Verteidigungsausgaben zu niedrig gesetzt wurde und zu viele Ausgaben unter diese Kategorie fallen. 

Ohne eine Einschränkung der Leistungen wird es bei der Rente nicht gehen

Gerade bei der Rente sieht es nach den Sondierungsgesprächen so aus, als würden die Leistungen eher noch ausgeweitet, verbunden mit höheren Belastungen für die Beitragszahler. Welche Maßnahmen wären aus ihrer Sicht nötig, um das Rentensystem zukunftsfest zu machen? 
Fuest: Ohne eine Einschränkung der Leistungen wird es nicht gehen. In welchem Umfang das über eine Erhöhung des normalen Rentenzugangsalters und eine Begrenzung des Rentenanstiegs passiert, ist eine politische Entscheidung. Die geplante aktuelle Ausweitung der Leistungen verschärft den künftigen Kürzungsbedarf. 

Gerade Infrastrukturprojekte haben oft sehr lange Vorlaufzeiten. Wann werden wir die ersten konjunkturellen Effekte durch die Sondervermögen sehen?
Fuest: Die können durchaus schnell kommen, wenn Unternehmen beispielsweise im Tiefbaubereich investieren, um ihre Kapazitäten auszudehnen. Aber auch das hat eine gewisse Vorlaufzeit. 

In der Bauindustrie gibt es schon heute viele Engpässe. Wie ließe sich der Gefahr begegnen, dass die zusätzlichen Ausgaben zu höheren Baupreisen führen und die Inflation insgesamt befeuern?
Fuest: Im Hochbau haben wir derzeit freie Kapazitäten, im Tiefbau weniger. Es ist wichtig, den Unternehmen Zeit zu geben, neue Kapazitäten aufzubauen. Ausschreibungen sollten so gestaltet werden, dass auch mittelständische Unternehmen sich beteiligen. Das erfordert administrative Vereinfachung und überschaubare Losgrößen.

Die Schuldenpakete bilden ja nur den Rahmen. Die genaue Mittelverwendung muss in Gesetzen geregelt werden. Worauf sollte der Bund aus ihrer Sicht besonders achten, beispielsweise mit Blick auf einen effizienten Mitteleinsatz oder eine maximale Hebelwirkung? 
Fuest: Es ist wichtig, im ersten Schritt eine überzeugende Gesamtstrategie zu entwickeln, beispielsweise dazu, wie im Jahr 2040 die Verkehrsinfrastruktur aussehen soll. Dann kann man entsprechend handeln. Bei den Ausschreibungen ist es wichtig, auch auf den Wettbewerb unter den Bietern zu achten. Wichtig ist es außerdem, für die Sanierung der vorhandenen Straßen und Bahnstrecken hinreichend Mittel einzuräumen, nicht nur dem Neubau.

Welche Rolle können Investoren beim Ausbau der Verteidigungsfähigkeiten oder beim Infrastrukturausbau spielen? 
Fuest: Private Investoren können zu einer effizienten Mittelverwendung beitragen, wenn sie Risiken übernehmen und entsprechende Anreize haben. Für reine Finanzierungsfunktionen sind sie oft zu teuer.

Gerade in kleineren Kommunen fehlt oft das Personal und das Know-how. Inwieweit könnten private Unternehmen mit ihrem Wissen unterstützen, um Projekte schnell umzusetzen? 
Fuest: Es gibt einen Markt für entsprechende Dienstleistungen, den sollte man nutzen. Es ist sinnvoll, dass kleinere Kommunen sich hier helfen lassen.

Abschließend noch eine Frage zur politischen Wirkung der Sondervermögen: Könnten die für die Menschen spür- und sichtbaren Effekte daraus möglicherweise auch dem Erstarken der politischen Ränder entgegenwirken?
Fuest: Das Erstarken der politischen Ränder hat vielfältige und komplexe Ursachen. Das Fehlen von kommunalen Infrastrukturen der Daseinsvorsorge kann die Unterstützung populistischer Parteien befeuern. Es gibt aber viele andere Treiber von Polarisierung, nicht zuletzt Social Media. Hier ist eine deutlich breitere Strategie erforderlich.