Trotz Beschäftigungsrekord: Der Fachkräftemangel kommt
Noch nie waren in Deutschland mehr Menschen beschäftigt als 2022. Das Statistische Bundesamt vermeldete diese Woche eine Rekordzahl von 45,6 Millionen Erwerbstätigen, fast 300 000 mehr als im bisherigen Rekordjahr 2019. Was bedeutet diese erfreuliche Entwicklung für Warnungen vor Überalterung und Arbeitskräftemangel?
Deutschland nutzt das verfügbare Arbeitskräftepotenzial immer besser aus. Die Erwerbstätigenquote stieg 2022 und setzte damit einen langwährenden Trend fort, den die Covid-19-Pandemie nur kurz unterbrechen konnte. Die deutsche Quote ist mit 77% inzwischen eine der höchsten unter den großen Industrienationen (s. Grafik). Darüber hinaus stützte eine ungewöhnlich hohe Nettozuwanderung im vergangenen Jahr die Erwerbstätigkeit. Im Ergebnis zählt das Statistische Bundesamt 45,6 Millionen Erwerbstätige in Deutschland. Soweit die gute Nachricht. Dennoch sind die Aussichten wenig rosig.
Arbeitskräftemangel kommt
Viele Branchen leiden schon heute unter einem Fachkräftemangel. So zeichnet die neue Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts ein düsteres Bild: In allen Szenarien sinkt die Zahl der Personen im Haupterwerbsalter (15-64 Jahre) schon in den nächsten zehn Jahren deutlich. Für das Wachstumspotenzial der Wirtschaft und die sozialen Sicherungssysteme sind diese Aussichten bedrohlich.
Schlüsselrolle für Arbeitskräfte aus dem Ausland
Bei geringer Nettozuwanderung könnten in fünfzehn Jahren fünf Millionen weniger Personen im Haupterwerbsalter sein als heute. 2070 wären es elf Millionen. Bei hoher Zuwanderung erholt sich die Erwerbsbevölkerung in einigen Szenarien. Um diese langfristig zu erhalten und in Erwerbstätigkeit zu übersetzen, müsste sich Deutschland jedoch als attraktives Einwanderungsland profilieren und Neuankömmlinge effizient integrieren. Eine höhere Geburtenrate würde die Alterung im Laufe der Jahrzehnte abmildern, aber wohl nicht umkehren.
Mögliche Maßnahmen
Damit die Bevölkerungsalterung abgefedert werden kann, werden verschiedene Optionen diskutiert. Zum Beispiel:
- Ein höheres Renteneintrittsalter in Verbindung mit Weiterbildungsmaßnahmen.
- Produktivitätsgewinne durch mehr Bildung, Automatisierung und Digitalisierung.
- Eine höhere Erwerbstätigenquote, z.B. durch verstärkte Aktivierung von Älteren.
- Weniger Hindernisse für Vollzeitbeschäftigung, z.B. bei Frauen. Nur ein Viertel der Teilzeitbeschäftigten wünscht sich keine Vollzeitstelle.