Keine neue Doppelregulierung aufbauen - Versicherer sehen in Sustainability Risk Plans keinen Mehrwert
Die EIOPA hat einen Entwurf zur Umsetzung verpflichtender „Sustainability Risk Plans“ vorgelegt, die im Rahmen der Überarbeitung von Solvency II eingeführt werden sollen. Aus Sicht der Versicherer ist das nicht sinnvoll. Denn die neuen Pläne definieren viele Anforderungen, die bereits über bestehende Anforderungen an das Risikomanagement von Versicherern abgedeckt sind. Zusätzlich führen die Pläne zu weiteren Überlappungen mit Anforderungen aus horizontalen Nachhaltigkeitsregulierungen wie der CSDDD und der CSRD.

Schwaches Wirtschaftswachstum und geopolitische Herausforderungen veranlassen die neue EU-Kommission um Präsidentin Ursula von der Leyen die politische Agenda stärker auf Wettbewerbsfähigkeit auszurichten. Im Wettbewerbskompass der EU-Kommission - ein wichtiger Bestandteil des Arbeitsprogramms der EU-Kommission für die laufende Legislaturperiode - ist die Reduzierung des regulatorischen Aufwandes für Unternehmen ein wichtiger Baustein. Die EU-Kommission zielt darauf ab, die Belastungen für Unternehmen um 25 Prozent zu senken. Erst vor kurzem hat die EU-Kommission in einem Omnibus-Gesetzespaket mit Blick auf Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) und Sorgfaltspflichten (CSDDD) Erleichterungen für Unternehmen vorgeschlagen.
EIOPA konsultiert RTS zu Sustainability Risk Plans
Während die EU-Kommission auf der einen Seite Vereinfachungen vorschlägt, sollen auf der anderen Seite gleichzeitig zusätzliche Anforderungen eingeführt werden. Auf den ersten Blick klingt das paradox. Der Grund ist allerdings, dass politische Richtungsänderungen zeitverzögert auf die technische Ebene der EU-Regulierung durchschlagen.
Exemplarisch dafür steht der Entwurf des technischen Regulierungsstandards (RTS) zum Management von Nachhaltigkeitsrisiken, den die europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA bis Ende Februar konsultiert hat. Die gesetzliche Grundlage für die neuen Anforderungen legt Artikel 44 der überarbeiteten Solvency II-Richtlinie aus dem November 2024. Demnach sind Versicherer verpflichtet, einen sogenannten Sustainability Risk Plan aufzustellen. In dem RTS-Entwurf schlägt die EIOPA Anforderungen vor, die ein solcher Plan erfüllen soll. Dazu zählen detaillierte Vorgaben zu:
- Governance-Regelungen und Strategien zur Identifikation, Bewertung, Steuerung und Überwachung wesentlicher Nachhaltigkeitsrisiken (ESG) für das Unternehmen
- Wesentlichkeitsanalyse für sämtliche Nachhaltigkeitsrisiken mit einer Vielzahl mindestens zu berücksichtigenden Kennzahlen
- Szenarioanalyse der wesentlichen finanziellen Risiken
- Erläuterung der Ergebnisse und Risikokennzahlen auf der Grundlage verschiedener Szenarien und Zeithorizonte
- Quantifizierbare kurz-, mittel- und langfristige Ziele sowie geeignete Maßnahmen zum Management der wesentlichen Risiken
EIOPA äußerte bereits früh Bedenken zu Sustainability Risk Plans
Bereits im Laufe des Solvency-II-Reviews stellte sich die Frage, welchen Mehrwert zusätzliche Sustainability Risk Plans für die Versicherer und die Aufsicht bringen sollen. So hatte sich im Juni 2023 die EIOPA Vorsitzende Petra Hielkema sehr zurückhaltend gegenüber der Einführung zusätzlicher Sustainability Risk Plans (damals unter dem Label Transitionspläne für Aufsichtszwecke) geäußert: „There has been so much put in place now with greenwashing, with new rules in Solvency II, the ORSA, Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), the taxonomy and the CSRD. Let's use the information we have today, let us see what that brings us and let's monitor how that works.”
Kein Mehrwert aus Sicht der Versicherer
Aus Sicht des GDV und des europäischen Dachverbandes Insurance Europe sollten die neuen Sustainability Risk Plans in Artikel 44 der geänderten Solvabilität-II-Richtlinie gestrichen werden. Dies könnte zeitnah im Rahmen der aktuellen Omnibus-Gesetzgebung umgesetzt werden.
Tatsächlich schaffen die Sustainability Risk Plans keinen Mehrwert, sondern vor allem neue, kostspielige Doppelstrukturen. Da das Risikomanagement Kernbestandteil des Geschäftsmodells von Versicherungen ist, gibt es bereits umfangreiche regulatorische Vorgaben. Generell sind in der eigenen Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung (ORSA) alle für das Unternehmen wesentlichen Risiken einzubeziehen. Insbesondere Nachhaltigkeitsrisiken werden in Solvency II bereits angemessen berücksichtigt. Seit 2022 führen Versicherer zu klimabezogenen Risiken Szenarioanalysen durch (siehe dazu GDV-Publikation: Klimawandel im ORSA). Mit dem aktuellen Solvency-II-Review werden diese Szenarioanalysen rechtlich verpflichtend.
Die Anforderungen der Sustainability Risk Plans überlappen sich auch mit Anforderungen aus horizontalen Nachhaltigkeitsregulierungen. Dazu zählt die Pflicht zur Erstellung von Klima-Transitionsplänen nach der CSDDD und die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD und den ESRS (inkl. Wesentlichkeitsanalyse mit doppelter Materialität).
Stärker auf Eigenverantwortung setzen
Das Prinzip Eigenverantwortung funktioniert gut, wenn man für das eigene Tun auch die Konsequenzen tragen muss - und das ist hier der Fall. Denn am Ende des Tages müssen Versicherer für ihre Unternehmensentscheidungen mit ihren Finanzmitteln geradestehen. Aus diesem Grund haben Versicherer ein ausgefeiltes Risikomanagement und berücksichtigen heute schon umfassend ESG-Kriterien in ihren Geschäftsprozessen, Kapitalanlagen und im Versicherungsgeschäft (siehe GDV-Nachhaltigkeitsbericht 2024, S. 8).
Ein kluges ESG-Risikomanagement, insbesondere von Klimarisiken, wird in Zukunft noch wichtiger, da physische Risiken mit dem fortschreitenden Klimawandel weiter zunehmen. Auch eine verhältnismäßige und fokussierte Nachhaltigkeitsberichterstattung kann helfen, Risiken transparenter zu machen und noch besser zu managen.