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© Michael Dziedzic / Unsplash

Dossier: Künstliche Intelligenz

Selbstlernende Systeme finden bei den Unternehmen der Versicherungswirtschaft zunehmende Einsatzmöglichkeiten. Von der schnellen Hilfe im Schadensfall über 24/7-Servicefunktionen bis hin zu besseren, innovativen Versicherungsangeboten eröffnen sich für die Kundinnen und Kunden damit neue Perspektiven.

15.02.2024
Wissenschaftliche Perspektive

Künstliche Intelligenz erleichtert das Leben Link kopieren

Selbstlernende Roboter, vernetztes Fahren, bei der Diagnose von Krankheiten oder die Vorschläge für neue Serien bei Streamingdiensten: Künstliche Intelligenz oder auch kurz KI ist aus dem Leben nicht wegzudenken. Die Potenziale sind noch lange nicht ausgeschöpft. Auf hochleistungsfähigen Hard- und Softwareplattformen bieten die maschinellen Lernverfahren der KI das Instrumentarium, um aus großen Datenmengen komplexe Zusammenhänge zu lernen, ohne explizit programmiert werden zu müssen. Maßnahmen und Entscheidungen werden nicht nur datenbasiert vorgeschlagen, sondern direkt zur Steuerung von Geräten und Prozessen eingesetzt. Die Verfahren des Lernens in tiefen Schichten aus künstlichen Neuronen lassen intelligente Maschinen in beliebigen Sprachen mit uns sprechen, unsere gemeinsame Umgebung wahrnehmen und interpretieren. KI schafft eine neue Kommunikationsschnittstellen zu unserer Wohnung, dem Auto, den Wearables und wird Touchscreens und Tastaturen verdrängen. Die KI-Forschung rund um Deep Learning und neuronale Netze gehört zu den spannendsten Aufgaben der Wissenschaft. Gleichzeitig gilt auch: Nicht jeder Algorithmus ist maschinelles Lernen, nicht jede große Datenmenge bildet ein intelligentes System. Die Herausforderung ist hier, den Überblick zu behalten und verschiedene Systeme zu unterscheiden.

Um Künstliche Intelligenz gibt es eine Debatte: Menschen sind misstrauisch, wenn ein selbstlernender Algorithmus etwa über ihre Finanzen oder über die nächste Arbeitsstelle entscheidet. Auch fällt es uns zunehmend schwerer, in digitalen Medien echte Menschen von digitalen Bots zu unterscheiden. Künstliche Intelligenz braucht daher das Vertrauen der Menschen, soll ihr Einsatz erfolgreich sein.

Entwicklungen, die auf künstlicher Intelligenz basieren, stehen derzeit noch eher am Anfang. In allen Bereichen und auch in der Versicherungswirtschaft werden neue Anwendungen erforscht und erprobt. So spielen intelligente Anwendungen heute bereits eine wichtige Rolle bei selbst fahrenden Autos. Schon in wenigen Jahren wird vermutlich kaum ein Lebensbereich ohne KI bzw. maschinelles Lernen auskommen. Die Weichenstellungen, damit dieses Szenario mit Leben gefüllt werden kann und sich das Misstrauen als unbegründet erweist, erfolgen heute.

Der Begriff „künstliche Intelligenz“ wurde 1955 von dem US-amerikanischen Informatiker John McCarthy geprägt. Es existieren zahllose Definitionen und Vorstellungen, die meisten beziehen sich darauf, dass menschliches Denken nachgebildet wird. Generell kann zwischen starker KI und schwacher KI unterschieden werden. Starke KI-Anwendungen wären Computersysteme, die auf Augenhöhe mit dem Menschen, selbstständig komplexe Aufgaben erledigen könnten. Diese existieren bisher allerdings nur im Bereich der Science Fiction. Schwache KI-Technologie verwendet dagegen Algorithmen, die die Fähigkeit besitzen, zu lernen und damit das menschliche Denken oder technische Anwendungen in Einzelbereichen gezielt unterstützen. Häufig in einem Zusammenhang mit KI gebrauchte oder verwandte Begriffe sind außerdem maschinelles Lernen, Deep Learning, neuronale Netze oder Big Data.

Politische Perspektive

Auf dem Weg zu einer europäischen KI-Regulierung Link kopieren

Nach intensiven Verhandlungen haben sich die Europäischen Mitgliedsstatten auf den Entwurf zur Regelung Künstlicher Intelligenz (KI) geeinigt– den Artificial Intelligence Act (AI-Act). Das Regelwerk legt bindende Vorgaben für den KI-Einsatz in allen Mitgliedsstaaten fest. Auch für den Versicherungssektor bietet Künstliche Intelligenz neue Möglichkeiten Geschäftsprozesse zu optimieren und die Bedürfnisse von Kundinnen und Kunden besser zu bedienen. Daher begrüßen die in Deutschland tätigen Versicherer einen klaren und verbindlichen Rechtsrahmen. Mit der Verordnung setzt die EU einen ethischen Standard für die Entwicklung von KI, der europäische Werte einbezieht.

Auch KI-Basismodell wie GPT-4, besser bekannt als ChatGPT, werden nun praxisnah reguliert. Die Einteilung der Basismodelle erfolgt anhand bestimmter Kriterien wie der Rechenleistung, um Modelle mit oder ohne systemische Risiken zu unterscheiden. Modelle mit identifizierten Risiken unterliegen strengeren Auflagen und müssen regelmäßige Prüfungen durchlaufen.

Aus Sicht der Versicherungswirtschaft hätte man sich bezüglich der Zuordnung bestimmter KI-Systeme bei Lebens- und Krankenversicherungen mehr Weitsicht gewünscht. Diese wurden in den besonders streng regulierten Hochrisikobereich eingeordnet. Konkret geht es um Systeme, die zur Bewertung von Risiken einzelner Personen oder zur Festlegung von Versicherungsprämien dienen. Für die Versicherungsunternehmen ist dies mit zusätzlichen Verpflichtungen verbunden, obwohl bestehende Vorschriften bereits ein hohes Schutzniveau bieten.

Branchen-Perspektive

Besserer Service, innovative Produkte Link kopieren

Versicherungskundinnen und -kunden profitieren auf vielfältige Weise von intelligenten Anwendungen.

  • Künstliche Intelligenz unterstützt bei der Analyse und Bewertung von Risiken. Das zeigt sich zum Beispiel bei der Versicherbarkeit von Menschen mit schweren Vorerkrankungen in der Risikolebensversicherung. So können Versicherer heute unter bestimmten Bedingungen ein Versicherungsangebot für Träger des HI-Virus vorlegen. Vor wenigen Jahren wäre dies ohne die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz nicht möglich gewesen.
  • Die Versicherbarkeit von Gebäuden gegen Hochwasser wurde durch die Auswertung von zusätzlichen detaillierteren Daten im Rahmen des Geoinformationssystems für Hochwassergefahren der Versicherungswirtschaft (ZÜRS) deutlich gesteigert. 
  • Vollautomatisierte Prozesse sorgen für eine schnellere Schadenregulierung. So können Versicherte heute etwa unmittelbar nach einem Verkehrsunfall Bilder des beschädigten Autos per App hochladen. Selbstlernende Systeme treffen dann unmittelbar eine Entscheidung über die Reparatur bzw. die Schadensumme.
  • Kundenanfragen bei Versicherungen können schneller bearbeitet werden, indem KI-gestützte Texterkennungssysteme Arbeitsabläufe optimieren und Kundenanliegen priorisieren. Typische Beispiele hierfür sind Heirat oder die Geburt eines Kindes. Künstliche Intelligenz kann in diesen Fällen Vorschläge für eine passgenaue Optimierung des Versicherungsschutzes machen.

Genau wie für die Entwicklung der Technologie insgesamt gilt auch für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei Versicherungen, dass viele Innovationen heute noch gar nicht bekannt sind. Klar ist aber, dass digitale Lösungen Märkte und damit auch den Versicherungsmarkt bewegen. Der Wettbewerb um die Kundinnen und Kunden wird auch damit entschieden, wer die smartesten und kundenfreundlichsten Lösungen findet.

Verbraucher-Perspektive

Bedenken der Verbraucher/-innen werden ernst genommen Link kopieren

Entscheidungen erfolgen fair und diskriminierungsfrei

Für die Kundinnen und Kunden ist es vor allem wichtig, dass Entscheidungen fair und diskriminierungsfrei erfolgen. Dabei gilt: Differenzierung ist nicht gleich Diskriminierung. Versicherer benutzen seit jeher Algorithmen für die risikobasierte Prämiendifferenzierung. Die bestehenden Regelungen bieten Schutz in der analogen Welt genauso wie in der digitalen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat daher die Möglichkeit, Produkteignungen, Rechnungsgrundlagen sowie die zugrunde liegenden Algorithmen zu prüfen und bei Bedarf einzugreifen.

Bei personalisierten Preisen ist eine differenzierte Betrachtung notwendig

Insbesondere beim Einsatz personalisierter Preise besteht die Befürchtung, dass durch die Möglichkeiten von KI die Gefahr der Diskriminierung von Verbrauchern verschärft werden könnte. Dabei ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich. So ist die risikobasierte Prämiendifferenzierung in der Versicherungswirtschaft aufgrund persönlicher Informationen grundsätzlich zu unterscheiden von einer personalisierten Preisbildung wie sie zum Beispiel bei Onlinehändlern üblich ist. Inwieweit und zu welchen Konditionen ein Versicherungsschutz möglich ist, hängt einzig und allein vom abzusichernden Risiko ab.

Bedenken werden ernst genommen

Die Versicherungswirtschaft nimmt Sorgen vor einer stärkeren Risikodifferenzierung und dem Angebot verhaltensbasierter Tarife ernst. Bei innovativen Tarifen steht wie auch bei anderen Tarifgestaltungen der Nutzen für die Kundinnen und Kunden an erster Stelle. Dies stellen auch die Anforderungen der europäischen Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) sicher. Die Selbstbestimmung der Kundinnen und Kunden vor Abschluss des Vertrages, während der Vertragslaufzeit und nach dessen Beendigung wird selbstverständlich gewahrt.